Die Flüge der Zugvögel sind eine Sache der Superlative. Die einen legen gewaltige Strecken in kürzester Zeit zurück, die anderen lassen sich einige Jahre über die Weltmeere treiben. Autor Mike Unwin lässt uns in seinem Buch „Zugvögel – Reisewege und Überlebensstrategien“ an diesen Superlativen teilhaben. Das Buch hat unsere Vogelexpertin und BirdLife Österreich-Mitarbeiterin Brigitte Kranner genau angesehen.
Am schnellsten, am weitesten, am längsten, am dicksten, am ….. Vogelzug ist eine Sache der Superlative.
Der Wanderalbatros legt bis zu 950 Kilometer pro Tag zurück. Der junge Albatros lässt sich über fünf Jahre über die Weltmeere treiben, bevor er an seine Geburtsstätte zurückkehrt. Der Rubinkehlkolibri – gerade mal so schwer wie ein Teelöffel Zucker – legt 800 Kilometer Flugstrecke übers Meer in 24 Stunden zurück. Zwergflamingos wandern bis zu 32 Kilometer zu Fuß zurück, obwohl sie die Strecke auch fliegen könnten.
In dem Bildband „Zugvögel – Reisewege und Überlebensstrategien“ lassen uns der US-amerikanische Autor Mike Unwin und der britische Fotograf David Tipling tief in die Welt der Superlative der Zugvögel eintreten.
Einblicke in „Spatzenhirne“
Wir freuen uns, wenn wir im Frühjahr die erste Schwalbe sehen. Wir wissen, dass der Winter nicht mehr weit ist, wenn wir im Herbst die Gänse rufen hören. Was aber liegt dazwischen? Wie schaut die Flugroute des Weißstorches aus? Gibt es da mehr als eine? Auch die Wellensittiche Australiens sind Zugvögel. Sie haben keine fixe Route, sondern folgen den Niederschlägen.
Vogelzug ist unglaublich komplex und erst seit der Erfindung der Nanoelektronik gibt es kleine Transponder, sodass auch ein Singvogel „besendert“ werden kann. Wir beginnen erst jetzt zu begreifen, wie Zugvögel ticken. Mit offenem Mund – pardon, mit offenem Schnabel – staunen wir über die Leistungen und über Strategien der Vögel. Ehrfurchtgebietende Einblicke in die Leistung von „Spatzenhirnen“. Das zu vermitteln, gelingt dem Buch gut.
Beeindruckende Fotos und Details
Jeder der mehr als 60 Vögel auf fünf Kontinenten wird mit einem kurzen Steckbrief inklusive Migrationskarte vorgestellt. Das erinnert ein bisschen an einen Field Guide (Vogelbestimmungsbuch, das man beim Vogelbeobachten bei sich trägt) für Ornithologen. Ergänzt wird die Beschreibung durch beeindruckende Fotos und einen Textteil, der Details liefert.
Das genau ist aber das Dilemma des Buches: Egal wie elegant der Textteil geschrieben ist, die Informationsstruktur ist immer eine ähnliche: Zugwege, Bestände, Gefahren, Methoden um die Wanderbewegungen zu erfassen. Liest man mehrere dieser Vogelporträts hintereinander, dann können einem die Vögel schon ordentlich durcheinander flattern. Für einen Field Guide zu umfangreich, für einen Bildband zu textlastig, für eine Erzählung zu gleichförmig.
Trotzdem ein schönes Buch zum Nachschlagen und Staunen.
Mike Unwin/David Tipling
Zugvögel
Reisewege und Überlebensstrategien
Dumont Buchverlag
Originaltitel: Flights of Passage. An illustrated natural history of bird migration
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel
White Lion Publishing
ISBN 978-3-8321-9995-1
Alle Fotos: © David Tipling