Was tun, wenn Ziegenprodukte in der Heimat nicht den erwünschten Absatz finden? Ganz einfach: einen neuen Markt erschließen. Im Fall der Bergbauern Eberharter ist dieser Markt zwar weit entfernt, die Käufer aber umso interessierter an den hochwertigen Produkten aus dem Tiroler Alpbachtal.
Es ist ein eisiger Tag, meterhohe Schneewände, dunkelblauer Himmel und viel Sonnenschein – ein Wetter wie aus dem Bilderbuch begleitet uns auf den einsamen Weg hinauf zu den Eberharters. Auf rund 1000 Meter Seehöhe bewirtschaften Brigitte und Thomas Eberharter einen Bergbauernhof. Brigitte hatte es als Kind zwar nicht so mit den Bergen, sie ist in Hannover aufgewachsen; Thomas hingegen, der im Zillertal in Tirol groß wurde, hat es nach seinen „flachen Auslandsaufenthalten“ immer wieder in die Berge gezogen. Der gelernte Erdölwissenschafter hat seine Frau in Deutschland kennen gelernt, wo sie es auch bis 2004 aushalten. Dann aber ist Schluss mit ihrem vertrauten Leben und sie beschließen ganz was Neues zu beginnen: Mit Bergen, Ziegen und viel frischer Luft. Im gleichen Jahr finden sie den rund 500 Jahre alten Haidacher Hof, der – typisch für diese Landschaft – Stall, Wirtschafts- und Wohnräume in einem Gebäude vereint. Die beiden bündeln all ihre Energie in die Renovierung des Hofs, was einen enormen Aufwand darstellt. Gleichzeitig besiedeln die ersten Toggenburger Ziegen den Hof: Es ist eine alte vom Aussterben bedrohte Rasse, die mit ihrer besonderen Robustheit in dieser rauen Bergwelt gut bestehen kann.
Ziegenmilch für einen neuen Markt
Heute sind es rund 60 Ziegen, die den großzügigen Indoor- und Outdoor-Stall mit Sonnenterrasse und die noch größere Freifläche besiedeln. Auf dem stark abschüssigen Gelände fühlen sich diese Ziegen besonders wohl, das Kraxeln beherrschen sie. In der Früh und am Abend werden die Tiere gemolken. Im Winter sind es rund 90 Liter Milch, im Sommer ein bisschen mehr. Aus der Ziegenrohmilch stellt Brigitte Käse vom Feinsten her. Frischkäse werden mit Gewürzen oder Kräuter zubereitet, die Weich- und Schnittkäsesorten reifen bis zu acht Wochen und der Hartkäse bis 12 Monate im Felsenkeller. Beim Vertrieb haben sich die Eberharter ganz was Besonderes einfallen lassen: Neben dem eigenen rustikalen Hofladen in Alpbach oder auf Messe-Präsentationen werden seit kurzem die Ziegen-Produkte nach Dubai exportiert. Vor einigen Jahren lernten Brigitte und Thomas auf einer Messe Saudis kennen, die sich an ihren Produkten sehr interessiert zeigten. Gesagt, getan; neben der Milch wird heute Käse, Jogurt, Butter aber auch Fleisch und Bratwürste auf die Reise geschickt. Auch die orientalische Vorspeise Labhne haben die Eberharter in ihr Programm aufgenommen und speziell für die Kunden aus dem Orient entwickelt.
Die Bauern von Morgen
Der Transport stellt dabei kein Problem dar, da ist es oft schon eine größere Herausforderung, die Produkte von Westösterreich nach Ostösterreich zu transportieren. Brigitte schwebt eine Mitfahrzentrale für landwirtschaftliche Produkte vor. Mehrere Bauern aus den umliegenden Regionen können sich zusammenschließen und ihre Waren gemeinsam verschicken. Eine gute Idee, die leider am gemeinsamen Willen scheitert. Noch brauchten das die anderen Bauern nicht; vielleicht später einmal „wenn die Touristen wegbleiben oder die Förderungen weniger werden“, glaubt Brigitte.
Mit viel Eigeninitiative haben die Eberharter unter Beweis gestellt, dass ein fehlender Markt hierzulande noch lange nicht bedeutet, auf seinen Produkten sitzen bleiben zu müssen. Die Fleisch- und Wurstprodukte von der Ziege treffen offensichtlich nicht Herrn und Frau Österreichers Geschmack. Und Brigitte weiß von anderen Ziegenbauern zu erzählen, die ebenfalls große Absatzschwierigkeiten mit diesem Fleisch haben. Daher haben sie sich einen anderen erfolgversprechenden Markt eröffnet. Ihr Mut, was Neues auszuprobieren, ihr respektvoller Umgang mit den Tieren und der Natur und ihre ausgezeichneten Produkte lassen an eine Generation innovationsfreudiger Bauern von Morgen glauben.
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Alle Fotos: Barbara Kanzian