Der Wein prägt im Weinviertel die Kultur, gibt den Rhythmus vor und bestimmt die Feste. Hier wird im Weinberg getafelt, in der Keller- gasse gefeiert und im Weinkeller versumpert (versumpft). Warum aber Winzer in Almhütten investieren sollen, erklärt der Touristik-Verantwortliche Hannes Weitschacher. Der Wein ist Namensgeber des Weinviertels. Das Image des Weines aus dem Weinviertel war früher gar nicht so gut.
Hannes Weitschacher: Wir waren beim Wein der schlafende Riese, man hat immer gesagt der grüne Veltliner ist ein Massenprodukt. Der Poysdorfer Saurüssel beweist sehr gut, welche Veränderung stattgefunden hat. (Anmerkung: Der Saurüssel entwickelte sich vom Massenprodukt zu einer innovativen Marke.) Wie bemühen uns heute um starke Partner, die die Marke unterstützen. So arbeiten wir eng mit Weinviertel DAC zusammen. Die Gebietsmarke hat viel zum Aufschwung vom Weinviertel beigetragen. Wir ergänzen uns und treten auch am deutschen Markt gemeinsam auf.
Das Produkt grüner Veltliner ist ein Grund, das Weinviertel zu besuchen. Sie möchten aber Ihren Gästen viel mehr um den Wein herum zeigen. Was denn?
Hannes Weitschacher: Wir haben hier im Weinviertel wunderschöne Kellergassen: z. B. in Falkenstein, Poysdorf oder im Pulkautal. Aber auch die haben lange geschlafen. Für die Winzer verlieren sie allmählich an Bedeutung. Es gibt zwar noch welche, die ihre Weine dort lagern, aber immer weniger. Der Trend geht auf die grüne Wiese.
Unsere Keller sind die Alm- hütten des Westens. Wir freuen uns, wenn wir sie sehen, aber noch mehr, wenn ein Keller offen hat. So haben wir im Vorjahr mit dem Land Niederöster- reich einen Wettbewerb um die schönste Kellergasse initiiert. Wildendürnbach hat dabei gewonnen. Damit möchten wir den kulturellen Wert vermitteln und dann sind die Leute stolz drauf und beginnen die Erhaltung zu finanzieren.
Was ist denn das Spannende an diesen Kellern?
Hannes Weitschacher: Sie sind ein Mysterium. Weit verzweigt, feucht und kühl im Sommer. Von der Architektur her sind sie ganz interessante Bauten mit einfachsten Materialien. Diese Keller wollen wir unseren Gästen weiter eröffnen. Im Advent gibt es bereits einige Veranstaltungen. Uns schweben weitere Aktivitäten wie Zeichnen, Malen, Fotografieren in der Kellergasse vor. Motive gibt’s genug.
Wein und Kultur gehören im Weinviertel eng zusammen. Hier kann es passieren, mit einem weltberühmten Hermann Nitsch gemeinsam zu essen und zu trinken.
Hannes Weitschacher: Hermann Nitsch war im Februar der Gastgeber zu den Weinviertler (Kunst-)Genüssen. Das ausgewählte Menü und die Verkostung seines legendären „Nitsch-Dopplers“ fanden in seinem Schloss Museum statt. Auch mit den bekannten Autoren Eva Rossmann und Alfred Komarek planen wir gemeinsame Aktionen. Indem wir die Künstler in den Vordergrund stellen, kann das Weinviertel von einer ganz anderen Seite kennengelernt werden.
Kehren wir doch zu den Original-Schauplätzen des Weines zurück: Die Kellergassen sind ein wichtiger Ort für das Heranreifen des Weines, die Weinberge sind ein wichtiger Ort für das Heranwachsen der Trauben. Seit fünf Jahren wird dort auch fein getafelt.
Hannes Weitschacher: Tafeln im Weinberg hat sich mittlerweile zu einem Renner entwickelt. Eine weiß gedeckte Tafel an einem der schönsten Plätze des Wein- viertels. Der Koch verwendet typisch regionale Produkte, präsentiert sie und interpretiert sie neu. Das kommt sehr gut an. Zum Tafeln gibt’s Musik vom Jazz bis zur Blasmusik. Das ist authentisches Storytelling.
Ihre Bemühungen gehen hin zu einem authentischen Weinviertel. Geht das überall auf?
Hannes Weitschacher: Die größten Herausforderungen sind Abwanderung und Zuwanderung: Zum einen im Speckgürtel von Wien, wo um den Korneuburger Raum eine ziemliche Dynamik abgeht und der Grundstückspreis schon auf 250 Euro pro Quadratmeter gestiegen ist. Und auf der anderen Seite müssen wir in Retz aufpassen, dass das ganze nicht zu einem Museumsdorf verkommt. Die Leute wollen einen intakten, lebendigen Ort im Gegensatz zu einem Museumsdorf wie Niedersulz.
Das Weinviertel hat aber Aufwind, wir haben Zuwächse, die Erreichbarkeit, die infrastrukturellen Einrichtungen sind viel besser geworden. Wir haben eine junge, aktive Winzergeneration, die Gas gibt. Wir dürfen nur nicht satt werden und uns zur Ruhe setzen. Wir müssen den eingeschlagenen Weg weitergehen.
Und wir haben so liebe Ortschaften, die werden in den nächsten Jahren noch überrannt werden.
Ich danke für das Gespräch.
studierte Raumplanung, war u.a. Geschäftsführer des Retzer Landes und leitet seit 5 Jahren die Geschicke des Weinviertel Tourismus. Der geborene Wiener mit Waldviertler Wurzeln ist im Weinviertel wohnhaft und überzeugter (Wahl)Weinviertler.
Er schätzt am Weinviertel die Landschaft, die Stille, das Einsame. Es wird hier von den Menschen nicht alles sofort aufgeregt gesehen, sondern man geht einmal genussvoll gelassen in den Keller und „versumpert dort auch“.
An den Weinviertlern schätzt er, dass man sie zu unglaublichen Taten motivieren kann. Nicht umsonst gibt es hier großartige Feste wie das Winzerfest oder das Zwiebelfest. Er erinnert sich an das „Retzer Land in Rot“. Es ging damals um die Inszenierung einer Landschaft. Gewisse Gegenstände wurden in Rot gehüllt. „Da hat jeder mitgemacht, das ist unglaublich“.
Tafeln im Weinberg: die Termine im Überblick.
Alle Fotos: © Weinviertel Tourismus