Als ich das Buch „Almgeschichten” von Irene Prugger besprochen habe, meinte Bettina vom Stadiongarten, dass die Schweizer Entsprechung dazu das Buch “Urnerboden” sei. Dem Tipp bin ich natürlich sofort nachgegangen, und nun weiß ich gar nicht, wie ich Bettina danken soll – der „Urnerboden“ ist ja noch viel mehr als einfach nur ein Almwanderbuch, der „Urnerboden“ ist ein Schatzkästlein, ein wunderschön gestaltetes, vielfältiges Fotobuch voller Weisheit und Geschichten, ein Sprachbuch, ein Bilderbuch – und so ganz nebenbei auch ein Buch über Schweizer Lebensart und Wortwitz. Im „Urnerboden“ kann man blättern und lesen, schauen und träumen, lernen und lachen (letzteres allerdings nur, wenn man, so wie ich, eine unausrottbare Schwäche für das Schwyzerdütsche hat…)Doch von Anfang an: Der Schweizer Fotograf Christof Hirtler, der sich vor allem durch Reportagen einen Namen gemacht hat, hat seiner Liebe zum Urnerboden (das sind die im Besitz der Korporation Uri im gleichnamigen Kanton befindlichen Flächen, die vor allem aus gemeinsam bewirtschafteten Almen bestehen) ein Buch gewidmet. Er hat Gespräche mit 33 Älplern und Älplerinnen geführt, er hat den Lebensalltag von Menschen und Tieren rund ums Jahr fotografiert, er hat ihre Namen und Begriffe ausgezeichnet und aus all dem ein grafisch buntes Gesamtkunstwerk komponiert.
Der „Urnerboden“ vermittelt uns nicht nur, wie die Urnerbödeler und Älpler seit Hunderten von Jahren leben, so ganz nebenbei verstehen wir auch die der Alm-Bewirtschaftung zugrunde liegende Klugheit: ein selbst gegebenes, ständig aktualisiertes Regelwerk, dessen Einhaltung von selbst eingesetzten Alpvögten kontrolliert wird, ermöglicht eine gemeinsame Nutzung, die im Sinne der nachfolgenden Generationen auf Nachhaltigkeit und Erhalt des Lebensraums ausgerichtet ist – und dadurch eben durchaus auf Veränderungen von Gesellschaft und Klima reagieren kann. . .
Eine Lebensform, die die Interessen von Mensch, Tier und Landschaft gleichermaßen berücksichtigt und dabei die Produktion von 900.000 Litern Milch und 40 bis 50 Tonnen Käse pro Saison gewährleistet. Eine Selbstverwaltung ohne ideologischen Ballast, könnte man sagen – oder eben: Zämäschaffä git Zämähalt (was das heißt, müssten jetzt auch die des Schwyzerdütschen gänzlich Unkundigen verstehen…) Rezensiert von Jessica Beer.
Christof Hirtler: Urnerboden
352 Seiten, 170 Abbildungen; das Buch kann auf http://www.bildfluss.ch bestellt werden.