Jedem, der auch nur ein paar Quadratmeter Erde beackert, um ein Körbchen selbstangebauter Tomaten nach Hause zu tragen, oder sich morgens am blühenden Lavendel im Fensterkistchen erfreut, wird ziemlich bald klar: Gärtnern ist mehr als 5 Monate schmutzige Fingernägel und ein paar Gläser Marmelade aus eigener Produktion. Gärtnern ist eine Lebenshaltung, eine kleine, fröhliche Insel der Autonomie in einem Meer der Fremdbestimmung, und vielleicht auch der erste Schritt hin zu einer anderen Art des Zusammenlebens.In seinem Buch „Vom Gärtnern in der Stadt“ gelingt es Martin Rasper (selbst schreibender Gärtner oder gärtnernder Philosoph) beides anschaulich zusammenzudenken: praktische, handwerkliche und organisatorische Infos und Tipps für alle Städter/innen, die sich nach eigenem Grünzeug sehnen, und den visionären, gesellschaftspolitischen Hintergrund des eigenen Gärtnerns in der Stadt: so lernen wir ganz nebenbei, dass die Artenvielfalt aufgrund der starken Monokulturen konventioneller Landwirtschaft in den Städten oft bereits größer ist als auf dem Land, oder wie es kam, dass das 30.000-Einwohner Städtchen Andernach zur „essbaren Stadt“ wurde. Zu eigenen Utopien inspirieren auch die wunderbar anarchischen Geschichten über Guerilla- oder Gemeinschaftsgarten-Initiativen an nicht gerade spontan naturnahen Orten wie der Reeperbahn in Hamburg oder einem ehemaligen Berliner Flugfeld, ganz nach dem Motto: „Eine Gemüsegarten ist da, wo Gemüse angebaut wird.“
Durchaus ernst zu nehmen ist das gesellschaftsverändernde Potential von Modellen wie der „Community-Supported Agriculture“, bei dem (zumeist städtische) Kunden mit ihren (selbstverständlich biologischen) Produzenten Lieferverträge für eine Saison eingehen und damit Versorgungssicherheit auf beiden Seiten herstellen. Wem das zu solide ist, der findet in Raspers Buch natürlich auch einfach einen informativen Ratgeber über Mittel und Wege, in urbanen Zentren, auf Balkonen und Hinterhöfen zu säen, zu pflanzen und zu ernten – und seien es auch nur ein paar Karotten und einige bunte Blumensträusse.
Dass des Autors Herz aber für den grösseren Zusammenhang schlägt, verrät ein Zitat, das zumindest mich in Hinkunft beim Umgraben aufmuntern wird: Woody Allen, so Rasper, habe einmal auf die Frage, ob er Sex für eine schmutzige Sache halte, geantwortet: „Wenn man es richtig macht, ja!“ und, schreibt Rasper weiter, so sei es auch mit der Frage, ob Gärtnern eine politische Sache sei – „Wenn man es richtig macht, ja!“ Rezensiert von Jessica Beer.
Martin Rasper
oekom verlag München, 2012
ISBN-13: 978-3-86581-183-7
Ein Filmtipp: Unter dem Titel „Eine andere Welt ist pflanzbar!“ erschien die sehenswerte Dokumentarfilmreihe über Gemeinschaftsgärten und urbane Gärten aus den USA, aus Kanada, Deutschland, Südafrika und Argentinien. Regie führte dabei Ella von der Haide. Die DVD’s können bestellt werden auf: www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.de
Danke für den guten Tipp, da ich die letzten Wochen schon fleißig alles aufschnappe, was mit Garteln in der Stadt zu tun hat 🙂
Liebe Ellja, ein paar Bücher hab‘ ich noch, die kommen in den nächsten Tagen.
das buch war ja auch im Standard rezensiert, aber Deine anmerkungen, dass der autor weitere zusammenhänge bespricht, animiert mich, das buch zu suchen und reinzuschauen – wohl auch zu kaufen. Danke 🙂
lg, Brigitte
danke für die Blumen
Danke für den interessanten Buchtipp !
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