Um Punkt elf Uhr startet am Mittwoch der letzten Augustwoche im spanischen Buñol (Region Valencia) die Tomatina. Eine ganze Stunde bewerfen sich Tausende aus aller Welt mit überreifen Tomaten, suhlen sich in den sich bildenden Flüssen der Tomatensauce und lassen ganz einfach die Sau – äh Tomate – raus.
So ausschweifend geht es heute, am Tag der Paradeiser (das ist der ostösterreichische Begriff für Tomate) in Österreich freilich nicht zu. In einer beschaulicheren und ruhigeren Weise lässt man das Lieblingsgemüse der Österreicher hochleben.
Laut Statistik Austria liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch
bei 10,1 kg frischen Tomaten, die Deutschen verzehren im Schnitt jährlich 9,2 kg und die Schweizer bringen es noch auf beachtliche 8,2 kg frische Tomaten im Jahr. In Österreich werden rund 44.000 Tonnen produziert, in der Schweiz sind es noch rund 35.000 Tonnen. Aber Deutschland mit seiner Größe enttäuscht: Hier werden nur 73.000 Tonnen Tomaten produziert, die größten Importe kommen aus den Niederlanden und aus Spanien, siehe Grafik.
Angebaut wird neben Freilandkulturen in Folientunnel oder in Gewächshäusern. Letztere sind High-Tech-Versionen: In riesigen Gewächshäusern, die der Größe mehrerer Fußballfelder entsprechen, werden die Tomaten in Reih und Glied‘ angeordnet. Im Dezember oder Jänner beginnt der Produktionszyklus mit den Jungpflanzen. Ab März/April startet die Ernte, die dann weit bis in den November/Dezember dauert. Die Pflanzen sind in einem kleinen Töpfchen mit Steinwolle verankert, die Bewässerung und Düngung erfolgt über Schläuche. Für die Bestäubung werden gerne Hummeln eingesetzt, da sie effizienter und leichter zu handhaben sind als Bienen.
Die Tomatenpflanzen können in einer Saison eine Länge bis zu 15 Meter erreichen. Das ist ein Wachstum, das es im Freiland nicht gibt. Doch muss eine Menge Energie diesen Gewächshäusern zugeführt werden, um eine ganzjährliche Bewirtschaftung zu ermöglichen. Es stellt sich die Frage, wie es um die CO2-Bilanz aussieht, die von mehreren Faktoren geprägt wird: Verpackung, Transportwege, Heizenergiebedarf, Treibhausgasemissionen bilden den ökologischen Fußabdruck. Und vergleicht man nun eine heimische Tomate aus dem beheizten Glashaus mit einer Tomate aus Almeria (Südspanien), so ist der ökologische Fußabdruck der heimischen Tomate zwei bis dreimal größer als bei der spanischen aus dem Folientunnel. Hier zeigt sich, dass der lange Transportweg aus Spanien einen nicht so erheblichen Einfluss auf die CO2 Belastung ausübt als der Energieverbrauch beim beheizten Gewächshaus (social ecology vienna/Alpen-Adria Universität Klagenfurt).
Zieht man aber in die Betrachtung auch den Faktor der Bewässerung mit ein, weisen die Tomaten aus Spanien eine bis zu vierfach höhere Umweltbelastung auf als eine heimische aus dem beheizten Gewächshaus. Der Grund ist der hohe Wasserverbrauch im trockenen Südspanien, der eine hohe Umweltbelastung darstellt (laut Schweizer Bundesamt für Umwelt/BAFU). Eines ist unbestritten: Die heimische Freilandtomate ist die ökologischste Form. Das regionale Lebensmittel gewinnt den Vergleich.
Ob Tomate oder Paradeiser, lassen Sie sich das Gemüse der Verführung nicht nur an diesem heutigen Tag der Paradeiser schmecken. Angeblich hat ja im Burgenland (das ist das östlichste Bundesland Österreichs) Eva ihren Adam mit einem Paradiesapfel, davon leitet sich der Paradeiser ab, verführt. In der Steiermark, dem österreichischen Apfelland, hatte Eva natürlich einen Apfel bei der Hand. Gibt’s in Ihrem Bundesland oder Kanton von dieser Geschichte noch eine andere Variante?
Wussten Sie, dass
im Jahr 2009 weltweit 152,5 Mio Tonnen Tomaten angebaut wurden. Der größte Produzent ist China mit 45,4 Mio Tonnen, gefolgt von der USA (14,1 Mio Tonnen) und Indien (11,1 Mio Tonnen). Türkei folgt an der 4. Stelle relativ gleichauf mit Ägypten (rund 10 Mio Tonnen). Dann kommt schon das erste EU-Land – und nein, es ist nicht Spanien. Größter Tomatenproduzent innerhalb der europäischen Union ist Italien mit 6,8 Mio Tonnen; Spanien folgt an 8. Stelle mit 4,6 Mio Tonnen.
Quellen: AMA, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft Bonn, BAFU, social ecology vienna/Alpen-Adria Universität Klagenfurt/Studie CO2-Bilanz der Tomatenproduktion/Michaela C. Theurl (Dezember 2008)
Photos:
(1) www.bunyol.es
(2) Grafik: überLand
(3) Wikipedia/Goldlocki
Wir ÖsterreicherInnen verzehren rund 10,1 kg frische Paradeiser p.a. Wie hoch liegt der Anteil an Paradeissaucen, -mark und anderen Paradeiserprodukten pro Kopf und woher kommt dieser zum Großteil (Italien?)?
Tja die 10 kg Marke habe ich heuer alleine mit dem Einkauf von Paradeisern über das Biokistl aus Radkersburg bereits überschritten, im Garten nasche ich laufend davon, somit dürfte mein persönlicher Konsum deutlich darüber liegen 🙂
Danke für diese interessante Auflistung, es ist beruhigend, dass wir zumindest die Hälfte unseres Tomatenkaufs selbst herstellen. Bei vielem anderen Obst und Gemüse ist das nicht so. Tafeltrauben sind ein heißes Thema, da in Österreich die Gesetzeslage (kein Schwefeln erlaubt) der heimischen Tafeltraubenherstellung einen Riegel vorschiebt und vom Handel keine kreativen Lösungen gefunden wurden (wieso ist das so schwierig?), sind regionale Trauben (auch in Bioqualität) eine Besonderheit und wir importieren Tonnenweise Weintrauben aus verschiedenen Ländern!
Ich habe mich diese Woche sehr über die biologischen Trauben von meinem Biobauern gefreut.
In der Tat – nimmt man auch noch die verarbeiteten Paradeiser dazu, ändern sich die Größenordnungen deutlich. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt dann insgesamt bei 25,4 kg und der Selbstversorgungsgrad sinkt auf 18%.
Es freut mich, dass der Artikel gefallen hat und danke auch für den Hinweis auf die Tafeltrauben. Ein spannendes Thema dem wir gerne einmal nachgehen werden.
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