Alena, Stefan und ihre Kinder wohnen mitten in Hamburg. Im Garten ihres Mehrgenerationenhauses halten sie Hühner. Sie sind – laut Eigendefinition – Stadtlandeier und bringen das Land in die Stadt. Über die vielen Vorteile der Hühnerhaltung in der City und auch darüber, was die Nachbarn davon halten, lesen Sie im folgenden Interview mit Stefan Kuna-Wagenhuber.
Was war Euer Beweggrund, Hühner in der Stadt zu halten?
Stefan: Die Kinder und ich essen sehr gern Eier. Alena, meine Frau, dagegen lebt vegan und hatte große Schwierigkeiten, mit reinem Gewissen Eier für uns zu kaufen. Deshalb hatten wir schon länger darüber nachgedacht, uns eigene Hühner anzuschaffen, denen es gut gehen sollte. Die Entscheidung fiel endgültig, nach dem wir längere Zeit die leckeren Eier der glücklichen Hühner meines Vaters gegessen hatten und das erste Mal wieder ein gekauftes Ei auf dem Tisch hatten. Der geschmackliche Unterschied war so groß, dass wir noch am selben Tag anfingen, uns nach Hühnern umzusehen.
Wie wurden die neuen Mitbewohner von den anderen aufgenommen?
Stefan: Die Idee von Hühnern im Garten stieß nicht bei allen gleich auf Gegenliebe. Vor allem in der Familie – wir leben in einem Mehrgeneration-enhaus – war die Skepsis groß und ist es bis heute geblieben. Ausgerechnet die Nachkriegsgeneration, die selber noch Hühner im Garten erlebt hat, hatte kein Verständnis für unseren Wunsch. Mit den Nachbarn dagegen gab es bis jetzt keine Probleme. Im Gegenteil! Das Interesse, die Anerkennung und auch die Unterstützung sind groß. Wenn wir mal nicht da sind, kümmern sich z. B. unsere direkten Nachbarn um die Hühner. Wir haben uns allerdings aus Rücksicht auf die Nachbarn auch keinen Hahn angeschafft.
Wie viele Hühner habt Ihr derzeit?
Stefan: Wir haben zu unseren vier Bielefeldern kürzlich noch zwei „ausrangierte“ Hennen aus der Massentierhaltung bekommen. Insgesamt haben wir jetzt also sechs Hennen und damit sind wir am Limit angekommen. Für mehr Hennen bräuchten wir mehr Platz und vor allem einen Hahn, der in der Herde für Ordnung sorgt. Aber das geht nicht. Sollten wir mal von der Stadt auf´s Land ziehen, kommen aber definitiv noch mehr Hühner und ein Hahn dazu.
Warum würdet Ihr zur Hühnerhaltung in der Stadt raten?
Stefan: Weil Hühner halten eigentlich nicht schwer ist, sich der zeitliche Aufwand im Rahmen hält, die Eier der eigenen Hühner einfach besser schmecken und weil es eine Alternative zum System der Massentierhaltung ist.
Allerdings stellt Hühnerhaltung in der Stadt eine andere Herausforderung dar als auf dem Land. Sinnvoll ist es nur dann, wenn ich dem Huhn ein artgerechtes Leben ermöglichen kann. D. h., es braucht Auslauffläche, auf der es scharren, Sonnen baden und sich verstecken kann. Die findet sich auf Hinterhöfe, in Kleingärten, im Garten der Kita und selbst auf großen Dachterrassen mit entsprechenden Volieren. Nicht geeignet sind dagegen meiner Meinung nach Balkone.
Und welche Auflagen müssen beachtet werden?
Stefan: In Deutschland sind Hühner normalerweise nicht genehmigungspflich- tig. Trotzdem können natürlich Vermieter oder der Kleingarten-verein etwas dagegen haben. Die Nachbarn muss man nicht fragen, sollte aber mit ihnen reden. Solange von den Hühnern aber keine Geruchs- oder Lärmbelästigung oder eine Gesundheitsgefährdung durch Anlocken von Schädlingen etc. ausgeht, dürfen sie nichts dagegen haben. Über die Anschaffung eines Hahns sollte man allerdings sehr gründlich nachdenken. Denn auch der verständnisvollste Nachbar wird irgendwann ungnädig, wenn er jeden Sonntag um 4.30 Uhr geweckt wird. Außerdem rate ich dazu, die Hühner gemäß der örtlichen Bestimmungen beim Veterinäramt anzumelden und regelmäßig zu impfen, damit man sich nicht angreifbar macht.
Welche positiven Erfahrungen habt Ihr bis jetzt mit den Hühnern gemacht?
Stefan: Die Hühner bereichern unser Leben. Und das nicht nur, weil sie extrem leckere Eier legen. Es macht viel Spaß, ihnen bei ihrem Tun im Garten zuzusehen. Das wird nie langweilig. Die Hühner helfen auch dabei, Blumen und Gemüse vor Nacktschnecken zu schützen. Die stürzen sich nachts nämlich mit Vorliebe auf den Hühnerkot und lassen die Pflanzen in Ruhe. Und mit dem restlichen Kot düngen wir unsere Beete und Kübel.
Gab’s auch etwas, das schief ging? Wo Ihr sagt, da hattet Ihr vielleicht noch nicht ausreichend Erfahrung dafür?
Stefan: Noch vor ein paar Tagen hätte ich die Frage mit „Nein“ beantwortet. Denn bisher ist eigentlich alles gut gegangen. Wir haben uns im Internet informiert und dann einfach gemacht. Unsere vier Bielefelder Kennhuhn-Hennen haben wir als Küken bekommen und sie sind quasi von allein groß und stark geworden. Vor ein paar Wochen haben wir uns aber noch weitere Hühner angeschafft, die aus einer Massentierhaltung stammen und getötet werden sollten. Diese Tiere waren sehr schwach. Eine der Hennen ist schon einen Tag nach ihrer Ankunft gestorben, vermutlich an den Folgen einer Legedarmentzündung. Den anderen beiden geht es aber täglich besser. Sie brauchen aber immer noch deutlich mehr Aufmerksamkeit als die anderen.
Ihr schlachtet die Hühner nicht, verwendet nur die Eier. Seid Ihr – was Euren Eierkonsum betrifft – Selbstversorger?
Stefan: Wir versuchen konsequent zu sein und ganz auf fremde Eier zu verzichten. Das betrifft gar nicht so sehr das berühmte Frühstücksei, sondern die vielen versteckten Eier in fertigen Nahrungsmitteln wie Nudeln, Gebäck, Eis etc. Unsere Frühstückseier beziehen wir ausschließlich von unseren Hühnern. Und wenn die nicht genug legen, dann gibt es eben einfach mal weniger Ei. Ansonsten wird wegen der veganen Lebensweise meiner Frau ohnehin ohne Ei gebacken, gebraten und gekocht. Ich mache zum Beispiel nach Aussagen meiner Kinder sehr leckere Pfannkuchen, die völlig ohne Ei auskommen. Stattdessen nehme ich Soja-Mehl. Funktioniert!
Was lernen Eure Kinder von der Hühnerhaltung in der Stadt?
Stefan: Die Erkenntnis, dass Essen nicht im Supermarkt wächst, dass Eier nicht aus Packungen kommen, sondern von Lebewesen, die das Recht haben, dass man sie mit Respekt behandelt. Und dass Lebensmittel nicht immer und in unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen. Wenn unsere Hühner keine Eier legen, dann können wir auch keine essen.
Ihr holt wortwörtlich das Land in die Stadt: Neben den Hühnern habt Ihr einen 400 M2 großen Garten, darunter auch Nutzbeete angelegt. Was bedeutet Euch Euer Land in der Stadt?
Stefan: Unser Garten ist für uns wertvoller Lebensraum. Da wir nur eine kleine Wohnung haben, verbringen wir von Frühjahr bis Herbst die meiste Zeit im Garten. Er ist dann Wohnzimmer, Küche, Kinderzimmer, Büro (neuer Trend: garden office), wichtiger Rückzugsort vor dem Alltagsstress und ein bisschen auch Vorratskammer. Im vergangenen Jahr hatten wir in unseren Hochbeeten, Mörtelwannen und Blumenkübeln Kartoffeln, Rote Beete, Erdbeeren, Kürbis, Zucchini, Gurke, Mohrrüben und Grünkohl. Vom Selbstversorger sind wir allerdings weit entfernt, dafür reicht unsere Anbaufläche nicht. Das ist ein Traum von mir, vom eigenen Gemüse und Obstanbau leben zu können. Dafür müssten wir allerdings aus der Stadt raus auf´s Land. Aber dann wären wir ja keine „Stadtlandeier“ mehr.
Danke für das Gespräch.
Mehr über das Leben von Alena und Stefan Kuna-Wagenhuber mit ihren Hühnern Helga, Heide, Hertha, Hilde, Frau Hoppe und Henriette gibt’s auf dem liebevoll gestalteten Blog Stadtlandeier.
Pingback: Barbara Kanzian spannt mit ihrem Blog die Brücke zwischen Stadt & Land. – Verival Blog