Beim Stichwort Spanien denken wahrscheinlich viele an die hervorragenden „Tapas“, den Pata-Negra-Schinken der iberischen Schweine, die sich in Weide- und Auslaufhaltung von Eicheln ernähren, den Manchego-Käse oder die Rioja Weine. Leider ist aber Spanien auch in der heurigen EHEC-Krise unschuldigerweise ins Rampenlicht geraten – zumindest in Bezug auf die Verunreinigung mit den Bakterien. Dass es dabei die biologische Landwirtschaft im Besonderen und die Gurkenbauer im Speziellen getroffen hat, ist eine Ironie des Schicksals.
Der Motor der spanischen Küche ist ein vielfältiger – angefangen von den Früchten der Wälder im Norden und Osten des Landes bis zu den heißen Sommern in den ausgedehnten Ebenen des Westens oder Südens, der Leichtigkeit der verschiedenen Inselgruppen oder dem Reichtum der Meere: Es gibt fast nichts, das man – kulinarisch gesprochen – in Spanien nicht finden könnte. Aus diesem Grund ist die spanische Küche auch eine regionale Küche und wird von regionalen Produzenten geprägt .
Dem gegenüber stehen aber auch die riesigen Anbaugebiete im trockensten Teil des Landes: Andalusien versorgt ganz Europa mit Gemüse, Salaten, Erdbeeren u. v. m.. Die Umgebung von Almeria ist dabei zum besonderen Sinnbild der industriellen Landwirtschaft geworden mit einem Meer aus Plastik und Glas und den unmenschlichen Bedingungen, denen Landarbeiter ausgesetzt sind (sh. auch Blog Eintrag vom 10. Juni https://www.ueber-land.eu/gemuse-spanien-plastikmeer-kieninger/).
Biologische Lebensmittel erleben Boom
Doch nicht nur konventionelle Landwirtschaft wird in Spanien intensivst betrieben – auch der Bio-Anbau ist zu einem wichtigen wirtschaftlichen Faktor geworden: Spanien ist mit einer Anbaufläche von 1,65 Millionen Hektar zum größten Bio-Produzenten Europas aufgestiegen. Beeindruckend ist dabei das Flächenwachstum von 33% von 2008 auf 2009, wobei es dann zu 2010 nur mehr einen geringen Zuwachs gegeben hat. Laut spanischem Landwirtschaftsministerium sind von der gesamten biologisch bewirtschafteten Fläche 1,1 Millionen Hektar tatsächliche Bio-Anbaufläche, der Rest ist in Umwandlung von konventionell auf Bio. Den größten Anteil nimmt dabei Andalusien mit 53 Prozent ein, gefolgt von Kastilien/La Mancha mit 15 Prozent und an dritter Stelle die Provinz Extremadura mit 5,8 Prozent und Katalonien mit 5 Prozent.
Gemessen an der gesamten landwirtschaftlich nutzbaren Fläche erreichte Spanien im Jahr 2008 noch einen Bio-Anteil von 4,4% (zum Vergleich: Deutschland 5,4%, Österreich 15,5% laut Eurostat für 2008), der aber mit den Zahlen von 2010 auf 6,4% hochgerechnet werden kann. Nach den aktuellsten Zahlen des spanischen Ministeriums gibt es in der Bio-Landwirtschaft 27.877 Produzenten und 2.747 verarbeitende Betriebe.
Spanier sind noch keine Bio-Konsumenten
Diese durchaus beeindruckenden Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass über 80% der gesamten Bio-Produkte in den Export gehen – die Rolle Spaniens bleibt somit auch in der biologischen Landwirtschaft „der Acker für das restliche Europa“. Im Land selbst bleibt nur ein kleiner Teil der Produktion. In einem europäischen Vergleich (aus dem Jahr 2007 von der Europäischen Union) der Pro-Kopf-Ausgaben für biologische Lebensmittel liegt der Wert für Spanien bei 4,5 Euro, was den siebent letzten Platz bedeutet. Die Deutschen gaben 64,4 Euro aus, die Österreicher sogar 89 Euro. Nach aktuellen Berechnungen des spanischen Ministeriums liegen die Pro-Kopf-Ausgaben heute in Spanien bei 19,4 Euro, was zwar auf einen beachtlichen Anstieg hinweist, aber noch immer weit entfernt vom europäischen Durchschnitt.
Im nationalen Aktionsplan wird die biologische Landwirtschaft durchaus als strategischer Sektor angesehen, gleichzeitig konstatiert eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Ministeriums, dass es eine ganze Reihe von Hindernissen gibt, warum biologische Lebensmittel in Spanien von den Konsumenten nicht breiter angenommen werden. Die Hauptgründe liegen dafür in der mangelnden Verfügbarkeit, in Engpässen, im Preis, im Wissen seitens der Konsumenten aber auch in kulturellen wie ideologischen Barrieren.
Wie bio ist Bio?
Wenn offizielle Stellen freimütig einräumen, dass es kulturelle wie ideologische Barrieren in der Akzeptanz von Bio-Lebensmitteln in Spanien gibt, muss man dann nicht auch die Frage stellen, wie sorgfältig wird mit dem Begriff „biologisch“ umgegangen? Zumal ja der Hauptteil der Ernte sowieso exportiert wird und es an inländischen Konsumenten fehlt, die vielleicht eine moralische Kontrollinstanz bilden könnten? Auch die Tatsache, dass überregionale Kontrollstellen fehlen und jede der 17 Provinzen über ein eigenes Bio-Label verfügt, hinterlässt an spanischen Bioprodukten einen bitteren Beigeschmack. Statt Antworten eröffnen sich neue Fragen: Ist überhaupt ein spanisches Bioprodukt mit einem österreichischen, deutschen oder schweizerischen Produkt vergleichbar? Aber auch wie nachhaltig ist ein Gemüseanbau in Andalusien mit einem immensen Wasserverbrauch?
Viele Fragen, die einer Antwort harren. Aber das ist Stoff für eine andere Geschichte.
Quellen: Ministerio de Medio Ambiente y Medio Rural y Marino; Europäische Kommission – Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
Photo: bisgleich/photocase