Landlust mal zwei

Sie heißen Landlust, Landfrust oder Landleben und füllen derzeit die Regale der Buchläden. Es geht immer um die gleiche Geschichte: Städter halten es in der Stadt nicht mehr aus, weil zu hektisch und zu stressig und zu oberflächlich. Da muss es doch noch mehr geben. Sie beginnen ihr Glück am Land zu suchen. Und siehe da, einige finden es auch. Axel Brüggemann beispielsweise findet sein Glück eher über Umwege. In seinem Buch „Landfrust“ zeichnet er wie der Titel schon verrät ein frustiges Bild der deutschen Provinz. Das Positive an seinem Landfrust ist: Er entzaubert das so häufig kolportierte romantische Bild des Landlebens, Brüggemann versucht mit den idyllischen Klischees aufzuräumen. Was dann in diesem Buch doch langweilig wird, ist die Redundanz seiner Standpunkte, die bald ins Lamentieren kippen. Trotz seelischer Tiefs probiert Brüggemann sein Landleben; bleibt ihm der Schluss zu wünschen: Das Leben auf dem Land lohnt sich.
Mit wesentlich mehr Humor geht da Hilal Sezgin im Buch „Landleben“ an die Sache ran. Sie beschreibt darin, ihre Entwicklung von der Stubenhockerin in der Großstadt zu einem Menschen, der sein Glück am Land, im Freien und mit der Natur findet. Dabei gibt es auch genügend Hindernisse zu überwinden. Lustig aber auch nachdenklich beschreibt Sezgin den Umgang mit ihren Tieren. Zu Beginn liebt sie ihre Tiere einfach nur. Was es aber bedeutet rund um die Uhr für sie da zu sein und sie auch zu pflegen, wenn sie Hilfe benötigen, beschreibt die Autorin auf eine sehr liebenswerte Weise. Viele tierliebende Städter werden sich bei ihrer Erzählung selbst wiederfinden.
Sollten Sie also Landlust empfinden, mit Landfrust und Landleben können Sie die Lust zumindest als Bücherwurm ausleben.

Axel Brüggemann
Landfrust
Ein Blick in die deutsche Provinz
Kindler
ISBN 978-3-4634-0592-6

Hilal Sezgin
Landleben
Von einer, die raus zog
Dumont
ISBN 978-3-8321-9623-3

Vom Himmel hoch

Stadtbauern und Indoor-Urban Farmer aufgepasst: Um eine volle Ausnutzung des Raums zu garantieren, schon mal an die Möglichkeit gedacht, die Pflanzen verkehrt von der Decke wachsen zu lassen? Statt lästigem „sich bücken“, streckt sich der Erntende einfach ein wenig und schon können die Kräuter für das Mittagessen gezupft werden. Die Skyplanter sind platzsparend, stellen einen außergewöhnlichen Blickfang dar und brauchen weniger Wasser als „normale“. Kleiner Nachteil am Rande: Für das Gießen wird natürlich eine Leiter benötigt. Wie das System der Skyplanter tatsächlich funktioniert, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der Firma Boskke. Tatsache ist, dass die Pflanzen in frischer Erde wachsen, aber eben nicht herunterfallen.
Ratsam ist es sicher, kein schweres Obst oder Gemüse anzubauen. Die Schwerkraft – Sie wissen schon. Aber ist nicht dem Newton ein Apfel auf den Kopf gefallen und dann hatte er die Idee mit der Schwerkraft? Also wer weiß, was einem danach noch einfällt?

Photos: Boskke
Designer: Patrick Morris

Landwirtschaft in der Stadt

Bilderbücher zum Thema Garten gibt es genug. Eine spannende Alternative bildet das Buch „Urban Gardening“, das sich mit der Rückkehr der Gärten in die Städte intensiv auseinandersetzt. Die Soziologin Christa Müller behandelt darin den Garten aus politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer, städtebaulicher und kultureller Sicht, zeigt auf, was hinter der Urban Farmer Bewegung tatsächlich steckt. Sie lässt weiters einige andere Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, die in äußerst lesenswerten Essays ihren Standpunkt näher ausformulieren.
Christa Müller ist davon überzeugt, dass die Urban Farmer bereits eine Vorreiterrolle übernommen haben. Sie bauen mitten in der Stadt gesunde Lebensmittel an, teilen, tauschen oder verzehren sie gemeinsam. Die Stadt erhält so eine neue Lebensqualität. Damit entsteht aber auch ein neues Verständnis für Urbanität, das unsere westlichen Städte in der Zukunft prägen wird.
In der Mitte dieses empfehlenswerten Buches finden sich ein paar Seiten mit Fotos. Trotz Konzentration auf den Text, hätten mehr Bilder oder Skizzen, beispielsweise über die Stadt von Morgen, diesem Buch nicht geschadet. Dennoch ist „Urban Gardening“ sehr empfehlenswert für all jene, die schon immer mehr über die Stadtbauern-Bewegung wissen wollten.

Christa Müller
Urban Gardening
Oekom Verlag
ISBN 978-3-86581-244-4

Urban Farms, made in Finland

Die Finnen sind ja bekannt für ihre außergewöhnlichen Freizeitbeschäftigungen: Im Luftgitarren-Spielen sind sie einsame Klasse. Schon seit 1996 veranstalten sie in Oulu besonders routiniert die alljährlich stattfindende Luftgitarren-Weltmeisterschaft. Auch die Weltmeisterschaft in der Disziplin des Hanyweitwurfs tragen unsere finnischen Freunde aus. Klar, werden Sie denken, wo denn sonst, darf doch Finnland als der Vorreiter der mobilen Kommunikation bezeichnet werden.
Aber was machen die Finnen da um Himmels Willen mit ihren Fahrzeugen? Die Autos werden mit einer Grasdecke eingehüllt, sodass sie nur mehr schemenhaft als PKWs erkennbar sind. Hecken unsere skandinavischen Freunde gar eine neue Sportart aus, von der wir noch nichts wissen? Oder ist das ein Beitrag der Stadtbauern-Bewegung Helsinkis, die von nun an Blechkarossen in Urban Farms verwandelt.
Sollten Sie öfters in dieser Gegend zu tun haben, dann halten Sie uns doch am Laufenden über diese in Gras-gehüllten PKWs, vielleicht können genau Sie dieses Geheimnis lüften.

Photo: Werner Merzeder

Finnland: Regionale Lebensmittel auf Erfolgskurs

Regionale Lebensmittel werden auch in Finnland immer mehr zum Trend. Bislang ist der finnische Lebensmittelhandel gekennzeichnet durch eine hohe Konzentration zweier Lebensmittelketten – der S- und der Kesko-(K-)Gruppe – die gemeinsam fast ¾ des Markets abdecken. In beiden Ketten sind hohe Verfügbarkeit und garantierte Lieferfähigkeit eines der Hauptargumente für die Listung von Lieferanten. Anbieter regionaler Lebensmittel tun sich schwer überhaupt Platz in den Regalen zu finden.
Neuesten Umfragen (RISC Monitor Food Programme 2010) zufolge spielt es aber für 26% der finnischen Konsumenten durchaus bei der Kaufentscheidung eine Rolle, dass es sich um regionale Lebensmittel handelt. Deswegen wird erwartet,
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Hunger in Afrika durch freien Markt

Regionale Lebensmittel, heimische Produkte, Existenzsicherung der Bauern und gleichzeitig Versorgungssicherheit der Bevölkerung – Schlagworte, die seitens der Politik gerne in den Mund genommen wird. Doch wie passen sie mit der neoliberalen politischen Realität zusammen? Einer Realität, die auf Weltmärkten produzierte Lebensmittel fördert und subventioniert, nicht liberalisierte Staaten dazu zwingt
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Wir ernten, was wir säen

„Seit den 1950er Jahren wird der Konkurrenzkampf um den Saatgut
Markt immer stärker. Damals sollte die industrielle Landwirtschaft mit Hoch-
leistungssorten auch in der „Dritten Welt“ etabliert werden. Heute kontrollieren 10 Saatgut-Konzerne (darunter Bayer, Monsanto, Syngenta, Limagrain und BASF) rund 70 Prozent des Weltmarktes. Mit unabsehbaren Folgen für die biologische Vielfalt und die Überlebensfähigkeit kleinbäuerlicher Betriebe. Hybrid oder GURT(Genetic Use Restriction)-Züchtungen sollen die Kontrolle des Saatgut-Marktes erleichtern. Hybrid-Pflanzen kann man zwar vermehren, sie haben aber meist nicht die gewünschten Eigenschaften. GURT-Pflanzen bringen keine keimfähigen Samen hervor – außer durch Einsatz spezieller Chemikalien, die beim Konzern gekauft werden müssen.
Wer das Saatgut kontrolliert, kontrolliert die Menschheit.“

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Vom Autofahren zum Gemüseernten

In der ehemaligen DDR war der Besitz eines eigenen Fahrzeuges ganz was Besonderes. Viele Bürger meldeten sich daher schon mit 18 Jahren auf einen der zwei möglichen Autofabrikate an: Vor dem Kauf eines Fahrzeugs der Marke Trabant oder Wartburg wurde eine Garage gebaut, denn dieses Auto musste ein Leben lang halten. Das eigene Auto war weit mehr als nur ein Transportmittel, es war ein vierrädiger Freund und hatte Kultstatus (wie im Westen übrigens auch). Und die Garagen für den Trabi nahmen in den Hinterhöfen der Wohnbauten zentrale Plätze ein und spiegelten den Stellenwert dieser Kultobjekte wieder. Sie spielten in diesen Höfen die Hauptrolle.
Als ich die Box der Urban Farmers zum ersten Mal sah, habe ich sofort an die Garagen der Trabis gedacht.
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Es grünt so grün …

… in der ökologischen Landwirt-schaft: Zu bunt kann es ihnen werden, aber nicht zu grün. Und das, obwohl diese Bauherren schon im Grünen wohnen. Das trifft zumindest auf jene Bauernfamilie in der Obersteiermark zu, die sich ihren Traum vom eigenen Einfamilienhaus in Grün realisierte. Das Gebäude wurde zur Gänze in Kunstrasen gehüllt und überrascht noch mit weiteren Details wie z. B. Betontreppen, die Vordach- und Sichtschutzfunktionen erfüllen. Mit diesem auf alle Fälle unkonventionellen Haus sicherte sich das Architektenteam Weichlbauer/Ortis den Architekturpreis des Landes Steiermark.
Die großen Vorteile dieser Grasfassade: Pflege, Düngung oder Mähen fallen flach und den Ziegen vergeht an diesem Rasen bestimmt der Appetit.

Photo: Architekt Peter Eder, Graz