Landwirtschaft schafft Boden unter den Füßen

VinziRast am Land

Im Wienerwald (Niederösterreich) entsteht eine VinziRast am Land. Sie soll obdachlosen Menschen ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und ihnen wieder Boden unter den Füßen geben; mit einer Wohnmöglichkeit und unterschiedlichen Beschäftigungsangeboten. Derzeit wird gerade eine große Liegenschaft umgebaut, wo Wiederverwertung, Kreislaufdenken und Permakultur Einsatz finden. Die Überländerin war vor Ort und hat sich dieses bemerkenswerte Projekt näher angesehen.

Die Architekten Ulrike Schartner und Alexander Hagner von gaupenraub erwarten mich bereits an diesem herrlichen Juli Morgen. Sie werden mir in den nächsten Stunden diese großzügig angelegte Liegenschaft zwischen Mayerling und Heiligenkreuz genau zeigen. Die Gebäude darauf, das ehemalige Hauben-Restaurant von Heinz Hanner samt angrenzendem Hotel, sind in malerischer Natur eingebettet. Darum herum Freiflächen, auf denen Glashäuser, Ackerflächen und ein Hühnerhaus entstehen.

Boden unter den Füßen geben

Bis 2016 wurde das Restaurant, das sogar über einen eigenen Hubschrauberlandeplatz verfügte, betrieben. Dann kam das „Aus“, die Liegenschaft wurde veräußert und Baulöwe Hans Peter Haselsteiner kaufte das Anwesen. Er, der auch Ehrenmitglied des Vereins VinziRast ist, wusste von deren Suche nach einem geeigneten Grundstück auf dem Land. Er stellte ihnen Gebäude und Grundstück zur Nutzung zur Verfügung.

„Es ist schon spannend, diese Gebäude umzubauen: Früher haben sich hier die Reichsten getroffen. Heute sind es die, die kein Dach über den Kopf hatten. Mit unserem Projekt wollen wir ihnen ein neues Zuhause geben“, so Alexander Hagner. Es soll eine Zwischenstation sein, die sie stärkt, damit sie wieder auf die Beine kommen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Weggeworfen wird nichts

In den früheren Hotelzimmern entstehen die Wohnräume für die BewohnerInnen. Auch Gästezimmer für Pilger (neben dem Grundstück verläuft der Pilgerweg von Heiligenkreuz nach Mariazell) oder für Alleinerziehende mit Kindern, die mal ein paar Tage im Grünen ausspannen wollen, sind im Entstehen. Die Zimmer erhalten Balkone, deren Holz vom Unternehmen Mayr Melnhof stammt. „Das Baumaterial war für die Biennale gedacht, einiges davon ist übriggeblieben und wir verbauen es nun“, erzählt Hagner. Neben den Balkonen wird das Holz auch für die Rankgerüste der Fassadenbegrünung verwendet.
Gespendet wurde auch das aufwändige Solardach auf dem neuen Hühnerhaus von der Firma Kioto-Solar. Es versorgt große Teile mit Strom.

VinziRast am Land: ReUse als Notwendigkeit

Ob es Baumaterial ist oder die Einrichtung wie z. B. die Gärtnertische im Glashaus – die VinziRast versucht, bereits verwendete Dinge wieder zu nutzen. Im ArchitekturZentrum Wien wurde z. B. das Regalsystem der Ausstellung „a_schau“ abgebaut und für den neuen Hofladen der VinziRast zur Verfügung gestellt.

Die top-ausgestatteten Küchen des ehemaligen Luxusgourmettempels bleiben in dieser Form erhalten und werden künftig für Catering, Workshops und Kochen mit der Gemeinschaft genutzt.

VinziRast am Land

Das gesamte Projekt VinziRast am Land setzt auf Kreislauf-Denken. So wird beispielsweise das gesamte Regenwasser der ca. 500 Quadratmeter großen Flachdächer in der 84 Kubikmeter großen Zisterne gesammelt und für die Bewässerung verwendet. Der eigene Fischteich versorgt das Wasser zudem mit wichtigen Nährstoffen.

Hühner, Bienen, Fische und Schafe

Bevor meine herzlichen Guides zur Baubesprechung müssen, stellen sie mir meinen nächsten Gesprächspartner vor: Dennis Reitinger. Er hat die BOKU absolviert und war schon beim Aufbau mehrerer Permakultur-Landwirtschaften involviert. „In der VinziRast geht es ja nicht nur darum, Menschen ein Dach über den Kopf zu geben, sondern es geht auch um Beschäftigung“, erklärt mir Dennis, der seit zwei Jahren hier lebt. Und da wird es demnächst in den Werkstätten, im Hofladen, in der Bäckerei und in der Landwirtschaft eine Menge zu tun geben.

Die Landwirtschaft ist das Herzstück der VinziRast am Land. Auf rund 3000 Quadratmetern wird Permakultur betrieben. Eine eigene Kompostanlage, die Erzeugung von effektiven Mikroorganismen sowie die Abfälle der Hühner sind wichtige Teile für die Bodenaufbereitung. „Wenn die Glashäuser fertig sind, dann können wir mit der Produktion der Gemüsekistln beginnen“, sagt Dennis. 100 sollen es im nächsten Jahr werden, die Hälfte davon ist bereits vorbestellt. Die Kunden regelmäßig mit frischen regionalen Produkten versorgen, ist das Ziel. Dafür wird Market Garden betrieben, eine planungsintensive Form der Bewirtschaftung. „Wenn ich ernte, muss ich bereits die nächsten Pflanzen anbauen.“ Und das geht das ganze Jahr über. 

Neben den unterschiedlichen Hühnerrassen beleben Bienen, Fische und bald auch (Zackel)Schafe den Hof. „Auch ein eigener Hofhund soll her“, wünscht sich Dennis. Für Leute, die hier mit ihren Kindern Urlaub machen, sind die Tiere samt Natur eine große Bereicherung. 

Die VinziRast am Land wird ein Ort einer vielfältigen Gemeinschaft. Menschen am Rand der Gesellschaft erhalten eine Bleibe und Arbeitsstätte; Urlauber und Pilger können hier die Natur genießen und jene, die Feste feiern wollen, finden in der neuen Orangerie den perfekten Rahmen für ihre Feier. Hier treffen sich Menschen unterschiedlicher Lebensgeschichten, Kulturen und Altersgruppen. Hier wird ausgetauscht, in Dialog getreten und bereichert.

Über die VinziRast

Der Verein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan ist ausschließlich aus Spenden finanziert und betreibt mithilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern folgende Einrichtungen:

VinziRast-CortiHaus (Wohnhaus für obdachlose Menschen)
VinziRast-mittendrin (in Gemeinschaft mit Studierenden)
VinziRast-WG (für Alkoholkranke)
VinziRast-Home (eine Einrichtung für geflüchtete Menschen)
VinziChance (Lern- und Beschäftigungsprojekt für AsylwerberInnen)
VinziRast am Land

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