Einen landwirtschaftlichen Betrieb zu übergeben, bedeutet ein Lebenswerk zu übergeben. Besonders zuspitzen kann sich die Situation, wenn kein Hofnachfolger in Aussicht ist. über_Land sprach mit Johannes Dreer, der nicht nur Bauern in diesen oft konfliktreichen Zeiten berät und als Mediator begleitet, sondern auch selbst Landwirt ist.
Herr Dreer, wohin hat sich die Landwirtschaft in den letzten Jahren entwickelt?
Johannes Dreer: Die Landwirtschaft hat es nach dem 2. Weltkrieg verpasst, die eigene Marktposition weiterzuentwickeln. Große Teile der Wertschöpfung wie Verarbeitung und Vermarktung der eigenen Erzeugnisse wurden aus der Hand gegeben. Die Entwicklungen der letzen Jahre bieten aber viel versprechende Chancen für die Landwirte: Erneuerbare Energien, Bio-Trend, der Trend zum Regionalen, zur Selbstvermarktung. Aber es ist wichtig, diese Felder unternehmerisch zu durchdenken. Landwirt sein, bedeutet heute mehr denn je Unternehmer sein – mit Chancen und Risiken.
Vor welchen Herausforderungen stehen dabei die Bauern?
Johannes Dreer: Landwirte müssen wie andere Unternehmer auch, ihre Betriebe für die Zukunft langfristig ausrichten, und dabei kurzfristig handlungsfähig bleiben. Die gesellschaftlichen Ansprüche wachsen, die relevanten Märkte sind sehr volatil und die Aussagekraft von Trends wird immer kurzfristiger. Wichtig für den Erfolg des Unternehmens ist es, seine Ziele und den Weg dorthin klar zu definieren. Es gilt, klare Entscheidungen zu treffen: für einen zukunftsfähigen Betrieb, und damit für und gegen neue oder bestehende Betriebszweige. Wir werden in unserer täglichen Beratung bestätigt, dass nur die Betriebszweige Erfolg versprechen, die vom Unternehmer 100prozentig betrieben werden. Dies können durchaus mehrere Zweige sein, auch mit unterschiedlicher Wertschöpfungstiefe. Hier sind die vorhandenen Kapazitäten wie Arbeitskräfte, Ausbildung und Kapital genau zu überprüfen, sonst besteht die Gefahr der Verzettelung in zu großer Diversifizierung.
Sie haben viel mit Landwirten zu tun und wissen sehr gut auch um Ängste dieser Berufsgruppe Bescheid. Was würden Sie sagen, bereitet dem Landwirt besondere Kopfzerbrechen?
Johannes Dreer: Natürlich gibt es auch in der Landwirtschaft Liquiditätsprobleme und Probleme im Fremdkapital-Bereich. Der Anteil des Fremdkapitals in landwirtschaftlichen Betrieben ist gestiegen. Das hat Konsequenzen – speziell in unruhigen Zeiten. Die aktuellen Finanz- und Schuldenkrisen und insbesondere die Euro-Krise belasten die Landwirte, aber nicht über die Maßen. Hier spielt vermutlich auch die Ausstattung der Betriebe mit Grundvermögen eine Rolle. Ängste bestehen hinsichtlich der möglichen Betriebsentwicklung bei auf Wachstum ausgerichteten Betrieben: Landwirtschaftliche Flächen sind rar. Außerlandwirtschaftliche Investoren und allgemeiner Flächenverbrauch verteuern die Produktionsgrundlage Boden für die Landwirte zusätzlich. Wirkliches Kopfzerbrechen erleben wir vor allem bei sozioökonomischen Fragestellungen innerhalb der meist familiengeführten Unternehmen in der Landwirtschaft.
Eine ungeklärte Hofnachfolge stellt den Bauern/die Bäuerin vor eine große Aufgabe. Wie beraten Sie dabei?
Johannes Dreer: Unsere Beratung ist langfristig ausgerichtet. Wie geht es mit dem Betrieb weiter? Diese Frage ist stets präsent, speziell rund um den Generationenwechsel. Wichtige Parameter sind die Betriebsstruktur, das vorhandene Hofkonzept, der Erfolg des Unternehmens, das Alter von Übergeber und Übernehmer, das vorhandene Vermögen, die Ausbildung der Beteiligten, und vor allem die Menschen und Persönlichkeiten selbst. Zum einen wird das Fehlen eines passenden Nachfolgers beklagt, zum anderen werden gute junge Landwirte nicht ans Ruder gelassen. Noch dazu gilt es, neue Familienmitglieder zu integrieren: in Hof und Leben.
Wie geht man bei der Lösung einer ungeklärten Hofnachfolge vor?
Johannes Dreer: Wir wirken als Mediatoren der verschiedenen Beteiligten und Interessengruppen. Doch bei aller Mediation ist es kaum möglich, alle zu 100 Prozent zufrieden zu stellen. Für den Betrieb und auch für das Leben auf dem Hof ist es wichtig – bei allen nötigen Kompromissen – eine klare Linie zu bewahren. Es müssen klare Eigentumsverhältnisse und insbesondere auch klare Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse geschaffen werden. Wir arbeiten stets an pragmatischen Lösungen und einfachen Regelwerken. Diese sind die Grundlage für langfristige Stabilität für das Familienunternehmen.
Einen Hof zu übergeben, bedeutet ja ein Lebenswerk weiter zu geben. Wie kann sich der Abgeber auf solch eine Situation einstellen?
Johannes Dreer: Wichtig ist es, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Die meisten Übergeber – außer Betriebsgründer – haben in der Vergangenheit bereits eine Hofübergabe mitgemacht, und Erfahrungen in der Position des Übernehmers gesammelt. Darauf aufbauend können sie klug handeln. Eine Vermögensfolge weckt grundsätzlich Begehrlichkeiten. Um den Fortbestand des Betriebes und damit das Lebenswerk zu sichern, sollte sich die finanzielle Vorbereitung und Ausgestaltung von Hofübergaben weiter verändern.
Wie ist die Situation einer ungeklärten Hofnachfolge für die Landwirte zu meistern?
Johannes Dreer: Hier erleben wir zunehmend Landwirte, die sehr souverän mit einer ungeklärten Hofnachfolge umgehen. Wichtig ist es, für den geplanten Zeitpunkt der Übergabe unabhängig vom jetzigen Wissen um den möglichen Nachfolger einen leistungsfähigen Betrieb zu erhalten oder zu schaffen. Nur ein solcher Betrieb wird interessant sein für eine familieninterne oder -externe Hofnachfolge. Für den Fall, dass die Nachfolge trotzdem nicht zustande kommt, und die landwirtschaftliche Nutzung bestehender Gebäude nicht mehr stattfindet, sollte eine Exit-Strategie in der Schublade liegen.
Es gibt z.B. Hofnachfolgerbörsen. Was ist von diesen Plattformen zu halten?
Johannes Dreer: Die bestehenden Börsen halte ich für sehr nützlich. Natürlich ist die Herstellung des Kontaktes zwischen potenziellen Hofübergebern und Hofübernehmern grundsätzlich nur der erste Schritt. Die Ausgestaltung ist die eigentliche Herausforderung. Aber das ist bei innerfamiliären Hofnachfolgen genauso – und oft noch schwieriger. Man kann in außerfamiliären Hofnachfolgen den Vorteil sehen, dass hier weniger emotionsbeladen gehandelt wird.
Gewinnt die außerfamiliäre Hofnachfolge an Bedeutung?
Johannes Dreer: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es werden heute – so wie früher – ganze Höfe auch außerhalb der Familie weitergegeben. Das halte ich für ganz normal. Steigende Tendenz haben kleinere Gehöfte, die von jungen Familien übernommen werden, um den Traum der Selbstversorgung zu leben. Das ist eine aktuelle Entwicklung, ebenso wie Urban Gardening oder Bienenhaltung in der Stadt. Ich persönlich hoffe, dass das keine Modebewegung bleibt, sondern sich verfestigt. Den Austausch von Stadt und Land sowie von Landwirtschaft und Gesellschaft halte ich für sehr fruchtbar.
Auf der einen Seite sinkt die Zahl der bäuerlichen Betriebe, Stichwort Bauernsterben, auf der anderen gibt es zahlreiche gut ausgebildete junge Absolventen von landwirtschaftlichen Schulen, die gerne einen Betrieb gründen wollen. Ist das nicht ein krasses Ungleichgewicht?
Johannes Dreer: Ich halte das Verhältnis nicht für allzu unausgewogen. Mit der sinkenden Zahl landwirtschaftlicher Betriebe ist eine relativ konstante Zahl der Möglichkeiten landwirtschaftlicher Anstellung zu verknüpfen. Der Bedarf an Fachkräften bleibt in der Landwirtschaft hoch, und wird auch noch steigen. Für gut ausgebildete Landwirte findet sich ein beruflicher Weg: als Unternehmer oder auch in Anstellung.
Sie selbst sind Nebenerwerbsbauer. Müssen Sie sich auch den Kopf zerbrechen, an wen Sie mal übergeben werden?
Johannes Dreer: Ob als Vollerwerbs- oder Nebenerwerbslandwirt: man sollte sich Gedanken machen. Ich zerbreche mir dabei nicht den Kopf, habe aber im Hinterkopf, dass ich hier mit einem Teil des Familieneigentums wirtschafte und daraus einen Beitrag zu meinem Lebensunterhalt generiere. Das bedeutet eine hohe Verantwortung und ein Privileg. Natürlich wird es mich freuen, wenn es aufbauend auf meiner Arbeit an diesem Hof einen Nachfolger gibt, der sich über mein Werk freut und weiter wirtschaften möchte.
Ich danke für das Interview.
Zur Person Johannes Dreer: Als diplomierter Volks- und Betriebswirt gründete er zusammen mit Johannes Willburger die Hof und Leben GmbH, eine Unternehmens-beratung für Landwirte in Kirchdorf/Bayern. Des Weiteren betreibt Dreer die elterliche Landwirtschaft im Nebenerwerb.
Photo (1): photocase/suze; Photo (2): photocase/CharlotteS; Photo (3): © Susanne Lang