Afrikas Landwirtschaft ist geprägt von Gegensätzen: auf der einen Seite gibt es sehr große Betriebe, die sich auf die Herstellung landwirtschaftlicher Massengüter wie Tee oder Kaffee für die Exportmärkte konzentrieren. Dem gegenüber steht eine riesige Anzahl von Kleinstbauern, die mehr schlecht als recht ihre Familie ernähren können. Gepaart mit fehlenden Lagermöglichkeiten und katastrophaler Logistik sind die meisten Länder Afrikas abhängig von Nahrungsmittel- importen und den schwankenden Lebensmittelpreisen. Dass es dann zu Hungerkatastrophen kommt – wie 2011 am Horn von Afrika – ist leider eine traurige Gegebenheit. Dass dem nicht sein muss, beweist ein Regierungsprogramm zur Stützung der Kleinstbauern in Ruanda.
Vielen ist wahrscheinlich Ruanda noch als Hort des schrecklichen Bürgerkriegs in Erinnerung. Heute erweist sich Ruanda als eines der schnell wachsendsten Länder in Ostafrika mit einem starken Finanzhaushalt, einer stabilen Inflation und einer zunehmenden Attraktivität für Investoren. Da Kleinbauerntum ein integraler Bestandteil der Landwirtschaft ist, hat die Regierung von Ruanda ein Programm zur deren Stärkung und zur Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln gestartet. Um den Programmen auch Taten folgen zu lassen, wurden die Budgetmittel ebenso erhöht: von 4,2% des Staatsbudgets (2008) auf fast 10% in 2010/11.
Das 5 Jahres-Programm zur Transformation der Landwirtschaft hat sich auf vier Schwerpunkte konzentriert: Ertragssteigerung und nachhaltiger Anbau (wie Bewässerung, Schulung zur Tierhaltung, Gebrauch von Saatgut und Dünger); Professionalisierung der Produzenten (Erweiterungsberatung, Investitionen in Agro-Forschung); Förderung der gesamten Lebensmittel-Produktionskette und Entwicklung der Agrarwirtschaft (Nachernte-Behandlung und Verarbeitungsanlagen, Strassen am Land, Finanzdienstleistungen) und institutionelle Entwicklung (wissenschaftliche Systeme, Managementsysteme und Dezentralisation).
Praktische Unterstützung der Kleinbauern
Bei der Umsetzung des Programmes hat die Regierung von Ruanda auch mit Entwicklungshilfeorganisationen zusammengearbeitet. Eine dieser Organisationen – Concern Worldwide – hat ein Programm zur Versorgungssicherheit von armen und extrem armen Haushalten und Gemeinden in drei Provinzen gestartet und dieses Programm auch wissenschaftlich evaluiert.
Hauptaugenmerk liegt natürlich auf der praktischen Unterstützung und Schulung der Klein- und Kleinstbauern. Das beginnt bei den geeigneten Anbaumethoden (Saatabstand, Reihenaussaat, Fruchtfolge), dem Zugang zu ertragreichem und virusresistentem Saatgut (Maniok, Bohnen, Mais) sowie mineralischem Dünger als auch der Verwendung von Kompost und Dung. Weiters der Eindämmung der Bodenerosion im hügeligen Gelände durch das Pflanzen von Bäumen und Gras sowie das Anlegen von Gräben zum Wasserrückhalt. Aber auch die Förderung von Gärten durch Bereitstellung von Saatgut und Gießkannen zur Selbstversorgung mit Gemüse.
Ein weiterer wichtiger Programmpunkt ist die Verteilung von Vieh (eine Kuh pro Familie sowie Ziegen und Schweine) und die Schulung zur Viehhaltung. Angeregt wird auch die Bildung von Kooperativen mit Trainings zum Umgang mit Ersparnissen, der Gewährung von Kleinkrediten innerhalb der Gruppe oder durch den geteilten Anbau der wichtigsten Ertragspflanzen innerhalb der Kooperative.
Insgesamt also ein ganzes Bündel an verschiedensten Maßnahmen, um die Klein- und Kleinstbauern umfassend zu unterstützen. Und gerade dieses Bündel hat dann in seiner Gesamtheit auch Erfolg gezeigt: das Programm eine Kuh pro Familie war natürlich ein wichtiger Baustein, aber erst durch die Bepflanzung des Hügellandes mit Gras gab es auch Futter. Gleichzeitig konnte damit die Bodenerosion eingedämmt werden, wozu aber auch die Bewässerung beigetragen hat. Durch den Kuhmist gab es dann wiederum Dünger für den Pfanzenanbau, und so weiter.
Deutliche Ertragssteigerung bei der Ernte
Der Erfolg der einzelnen Maßnahmen hat sich in Summe ganz konkret in einer deutlichen Produktivitätszunahme niedergeschlagen: Brachten die Bauern, die am Programm teilgenommen hatten, am Anfang noch eine Ernte von 32,7kg ein, so steigerte sich der Ertrag auf 90,9kg. Auch haben die meisten Bauern mit dem Anbau einer zusätzlichen Feldfrucht begonnen und es konnte auch die Ernährungssituation verbessert werden. Die Familien konnten sich nun vielfältiger ernähren (Gemüse – und zwar aus dem eigenen Garten – wurde z. B. zu einem regelmäßigen Bestandteil der Nahrung) und auch mehr Mahlzeiten zu sich nehmen (zuvor gab es meist nur eine Mahlzeit pro Tag). Die Vergleichsgruppe, also Bauern die nicht am Programm teilgenommen hatten, konnten bei weitem nicht diese Erfolge erzielen, wie die begleitende Studie zeigt.
Auch auf nationaler Ebene haben die Investitionen in die Kleinbauern Erfolg gezeigt: Die gesamte landwirt- schaftliche Produktion konnte in den letzten 3-4 Jahren deutlich gesteigert werden mit Zuwachsraten bis zu 322% z. B. bei Mais oder 206% bei Maniok. In Folge dessen hat sich auch die Ernährungssituation verbessert – lag der Kalorienverbrauch in 2004 noch bei 1.800 kcal/Person/Tag so zeigte er 2010 einen Wert von 2.500 kcal/Person/Tag. Deswegen verwundert es auch nicht, dass Ruanda glücklicherweise im Jahr 2008 von der Hungerkrise weitestgehend verschont wurde und auch die extremen Lebensmittelpreiserhöhungen im Jahr 2011 kaum Auswirkungen in Ruanda gezeigt haben.
Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung
Trotz dieser Erfolge bleiben noch eine ganze Reihe an Herausforderungen: So konnte die Armut im Land zwar gesenkt werden, dennoch bleibt die Armutsrate auf einem sehr hohen Niveau. Das betrifft im besonderen Maße jenen Teil der Bevölkerung, der auf keinen oder sehr wenig Besitz zurückgreifen kann. Einer der Gründe liegt auch in den fehlenden Budgetmittel für das Programm. Zwar wurden seitens der Regierung sehr viele Mittel freigemacht, dennoch bestand eine Finanzierungslücke. Aus diesem Grund konnten nicht alle Bevölkerungsgruppen erreicht und nicht alle Maßnahmen durchgeführt werden. So fehlt es z. B. noch immer an einer funktionierenden Logistik und an geeigneten und ausreichenden Lagerungsmöglichkeiten für die Ernten. Auch die Bildung von Institutionen bzw. der Aufbau von wissenschaftlichen Systemen für eine Überwachung und Evaluierung zur Sicherung der Versorgungssicherheit konnte nicht umgehend umgesetzt werden. In der Verlängerung des Programms wird speziell auf die offenen Punkte eingegangen und hofft dabei auch auf Mittel aus der Entwicklungshilfe einzelner Staaten.
Insgesamt zeigt das Programm aber sehr deutlich, dass die Selbstversorgung eines Landes über die Unterstützung der Kleinbauern funktioniert. Diese Erfolge können durchaus mit der Strategie der UN gesehen werden, dessen Sonderberichterstatter sich für eine Ökologisierung der Landwirtschaft in Schwellenländern ausspricht (siehe über_Land-Story: Öko-Landwirtschaft als Weg aus der Krise). Auch wenn sich das Programm von Ruanda nicht auf den ökologischen Aspekt konzentriert, so gibt es aber durchaus Parallelen: je weniger Barrieren Bauern vorfinden, um anpflanzen zu können, desto eher kommt es zum Erfolg. Im Falle der UN versucht man mit biologischen Maßnahmen die Eintrittsbarrieren für Saat- und Düngerankauf zu reduzieren. Im Falle Ruandas wurden finanzielle Mittel bereitgestellt, um die Initialzündung in Gang zu setzen. Was aber auf jeden Fall notwendig erscheint: die einzelnen Bauern in den richtigen Techniken schulen (und da handelt es sich wirklich um Vermittlung des Basiswissens) und auch die Gemeinschaft stärken, sodass die Bauern untereinander kooperieren und sich gegenseitig helfen können.
Photos und Grafik: Concern Worldwide
Zur Studie: Concern