Heute abends lohnt es sich, das Fernsehgerät einzuschalten. Die Kreuz- und Quer-Dokumentation „Armes Schwein – heiß geliebt und wild umstritten“ zeigt welchen Stellenwert das Schwein in den verschiedenen Kulturen und Weltreligionen einnimmt. Während Schweinefleisch bei Juden und Muslimen ein Tabu darstellt, ist es im christlichen Kulturraum das am häufigsten verzehrte Nutztier. Mehr noch,
zu Ostern wird der Schinken sogar zum geweihten Lebensmittel erhoben. Das Schwein ist aber auch hierzulande beliebtes Glückssymbol. Gerade kurz vor Silvester werden Schweine als Glücksbringer auf jedem Stand verkauft. Auf der anderen Seite muss das Schwein als wüstes Schimpfwort herhalten. Dieses zwiespältige Verhältnis setzen Regisseur Christian Kugler und Kameramann Franz Posch filmisch um, indem sie beispielsweise das Leben des Freiland-Ferkels Felix von der Geburt bis zum Wurstzustand verfolgen, sie blicken in eine koschere Schulküche Deutschlands und schauen bei der Herstellung von Marzipanschweinen und Sauköpfen zu. Für die Produktion des Films zeichnete Ursula Merzeder verantwortlich. überLand sprach mit ihr über die Realisierung dieses Films.
Wie bist Du auf die Idee gekommen, eine Doku über Schweine zu machen?
Ursula Merzeder: Auslöser war die nicht enden wollende Schweinegrippehysterie vor zwei Jahren. Ich habe zuerst an eine Dokumentation mit dem Thema „das Schwein weltweit“ gedacht. Doch die ersten Recherchen zeigten die unterschiedlichen Zugänge der einzelnen Religionen und diese waren interessant für einen Film. Im Weiteren wurde der ethische Gesichtspunkt immer bedeutender. Das hat sich dann auch beim Erarbeiten des Drehbuches mit Regisseur Christian Kugler heraus kristallisiert. Der Untertitel „Heiß geliebt“ nimmt schon Bezug darauf. Wir lieben das Schwein, aber eher in Form von Stelzen, Schnitzel und Schweinsbraten, das Tier an sich ist nur wenigen wichtig. Massentierhaltung, Tierquälerei und Billigfleischangebote sind die Auswirkungen. Wir Konsumenten könnten das aber ändern.
Isst Du Schweinefleisch?
Ursula Merzeder: Ich esse seit acht Jahren kaum Fleisch. Die Haltungsbedingungen unserer Nutztiere und der unnötige Überfluss an Fleischprodukten haben mich dazu bewogen. Das wenige Fleisch, das ich esse, kommt aus „artgerechter“ Tierhaltung. Doch immer öfter denke ich an vegane Ernährung. Ich versuche mich anzunähern, es könnte die logische Konsequenz der Auseinandersetzung mit dem Thema sein.
Du hast Dich mit dem Schwein intensiv auseinander gesetzt. Hat es während der Dreharbeiten besonders bewegende Moment für Dich und Euer Team gegeben?
Ursula Merzeder: Wir haben u. a. in Kairo gedreht. Die Situation der Menschen dort hat das ganze Team erschüttert. In weiten Teilen dieser 20 Millionen Stadt herrscht Chaos. Das hat unmittelbar nichts mit der momentanen politischen Situation zu tun. Das Elend, Berge von Müll, das Chaos, der Gestank all das gibt es seit Jahrzehnten – in koptischen wie in muslimischen Stadtteilen herrschen apokalyptische Zustände. Nur zehn Minuten außerhalb des touristischen Stadtteils fährt man kilometerlang durch Elendsviertel. Laut unserem koptischen Berater, leiden die Hälfte der Menschen an Hunger. Brotfladen zählen zum Hauptnahrungsmittel, Obst und Gemüse sind kaum leistbar. Ich stehe dem Tierschutz in Österreich sehr nahe, aber was tun, wenn das Leid der Menschen auch unfassbar ist?
Silvester ist eine Zeit, um Wünsche und Hoffnungen zu formulieren. Hilft dabei das Schwein als Glückssymbol?
Ursula Merzeder: Auf jeden Fall! Bei uns in der Steiermark isst man zu Silvester Saurüssel. Verpönt ist Hühnerfleisch. „Denn die Sau rüsselt nach vorne in die Zukunft. Das Huhn kratzt zurück.“ Doch es sollte auch Glück für Schweine und Hühner geben, und somit viel Platz zum Rüsseln und Kratzen.
Danke für das Gespräch.
Ursula Merzeder ist Kamerafrau und Produktionsleiterin bei Posch TV Filmproduktion.
Sendetermine von
Kreuz und quer: Armes Schwein – heiß geliebt und wild umstritten
Dienstag, 27. 12. 2011, ORF 2; 22.30 Uhr
Mittwoch 28. 12. 2011, ORF 3, 20.15 Uhr
Photo: Ursula Merzeder
Liebe Barbara Kanzian,
Danke für das Interesse an unserer neuesten Dokumentation „Armes Schwein“. Ich habe gesehen, dass Überland auch viele Leser in Deutschland und der Schweiz hat.
Daher noch ein Tipp: Die Dokumentation ist nach der Ausstrahlung eine Woche lang auf der ORF Tv Thek zu sehen:
http://tvthek.orf.at/programs/1193-Kreuz—Quer
Dir, Deinen Lesern und Überland wünsche ich alles Liebe für 2012