Obst der Saison und regionale Lebensmittel sind angesagt. Sie schmecken um ein Vielfaches besser und leisten noch dazu einen sinnvollen Beitrag zum Umweltschutz. Erntezeit also für die heimischen Erdbeeren. Ob Sie die Erdbeeren selbst pflücken oder dem Verkaufsregal entnehmen – Hauptsache das Obst der Saison findet zu seinem Käufer. Wenn man diese wunderbaren Früchte nur bekommen würde.
Ich habe immer den Eindruck, dass der Lebensmittelhandel, der seit Anfang des Jahres Erdbeeren aus den südlichen Ländern zum Verkauf anbietet, ab Mai in seiner Fruchtfolge schon ganz bei den Kirschen, Marillen und Pfirsichen angelangt ist.
Da drängt sich natürlich die Frage auf – was tut sich bei den heimischen Erdbeerbauern? Werden sie von den Importeuren aus Spanien, Marokko usw. verdrängt? über_Land ging dazu wieder einmal überland und hat sich die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz genauer angesehen.
In der Schweiz macht die heimische Produktion nur rund ein Drittel des Erdbeerenverbrauches aus: Im Jahr 2009 betrug die Importmenge 13.000 Tonnen gegenüber einer eigenen Produktion von 5.400 Tonnen. Das Verhältnis zwischen Import und eigener Produktion ist über die letzten Jahre weitestgehend konstant. Die heimischen Erdbeeren werden auf einer Anbaufläche von 419 Hektar geerntet, die meisten kommen aus der Ostschweiz, gefolgt vom Mittelland und dem Wallis.
In Österreich fällt auf, dass rund 31.000 Tonnen Erdbeeren importiert werden. Handelt es sich also um eine Mär, dass Österreich auf regionale Produkte setzt? Mitnichten. Betrachtet man die Zahlen etwas genauer, so erkennt man, dass es sich dabei um 17.000 t frische Erdbeeren handelt und um 14.000 t gefrorene, die in der Lebensmittelverarbeitung Verwendung finden. Den 17.000 t frischen Import-Erdbeeren steht eine heimische Produktion von 16.500 Tonnen im Jahr 2010 gegenüber, die auf einer ertragsfähigen Fläche von 1300 Hektar produziert werden. Wichtigste Genuss-Region für den heimischen Anbau von Erdbeeren ist Niederösterreich vor Oberösterreich und der Steiermark. Über die Jahre betrachtet war die lokale Erzeugung um die Jahrtausendwende mit über 19.000 Tonnen deutlich höher, ist dann auf 14.500 t im Jahr 2006 eingebrochen und scheint sich nun wieder zu erholen. Wichtigstes Importland für frische Erdbeeren ist mit einem Anteil von 56% Spanien. Aus Italien kommen 18% der Erdbeeren, gefolgt von Deutschland(!), das über 2.500 Tonnen (entspricht 15%) nach Österreich einführt.
Wird Deutschland das neue „Erdbeer-Spanien“?
Was hier so provokant in den Raum gestellt wird, hat durchaus einen wahren Hintergrund: Die heimischen Erdbeer-Anbauflächen haben sich in den letzten Jahren in Deutschland enorm vergrößert. Waren es 1998 noch 8.410 Hektar, die regional angebaut wurden, sind es 10 Jahre später schon 12.980 Hektar. Das ist eine Steigerung von rund der Hälfte! Insgesamt wurden auf dieser Fläche 150.500 Tonnen Erdbeeren im Jahr 2010 regional – und damit umweltfreundlich – produziert. Eine stolze Zahl, die aber den heimischen Verbrauch noch nicht abdeckt. Zusätzlich kamen an Importen rund 98.000 Tonnen aus dem Ausland dazu (vor allem aus Spanien 73% und dem zweitplatzierten Importland Italien 8%). Gemessen an der heimischen Produktionsmenge werden aber nur 65% der süßen Früchte importiert (Österreich 105%, Schweiz 240%).
Wird nun Deutschland in der Lage sein, seinen Bedarf an Erdbeeren ausschließlich aus heimischer Produktion zu decken? Die Schwierigkeit liegt in der Verfrühung der Erdbeerernte. Klimatisch bedingt hat Spanien einen deutlich früheren Beginn der Saison. Das lässt sich sehr deutlich aus den Importzahlen nach den einzelnen Monaten ablesen – werden im März bereits 10.000 Tonnen eingeführt, schnellt der Import im April auf das Hoch von fast 35.000 Tonnen gefolgt vom Mai mit rund 30.000 Tonnen. Der Juni fällt dann naturgemäß wieder deutlich ab, da die Erbeeren aus der Region Hochsaison haben.
Die einzigen Möglichkeiten, die heimischen Produkte früher zu geniessen, liegen im Tunnelanbau, statt dem Freilandanbau; im Anbau unterschiedlicher früh- und spät blühender Sorten und in der Ausnutzung regionaler klimatischer Unterschiede. Und alle diese Möglichkeiten werden auch genutzt: die klassische Freilandproduktion wird nur mehr bei weniger als der Hälfte der heimischen Kulturen angewandt. Auch hat sich die Sortenvielfalt gegenüber von 10-15 Jahren erhöht, was auch den Nebeneffekt der Verspätung – und somit der Angebotsstreckung – mit sich bringt. Und es haben sich auch die Anbauregionen erweitert. Während einst Baden-Württemberg das führende heimische Erdbeerland war, hat sich in der Zwischenzeit Niedersachsen als das größte regionale Anbaugebiet an die Spitze gesetzt gefolgt von Nordrhein-Westfalen.
All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Konsumenten verstärkt regionale Lebensmittel nachfragen können. Es gibt seitens der Produzenten bestimmt noch einiges zu tun, um die regionalen Produkte noch näher an die Verbraucher heranführen können. Da gibt es noch weitere Potenziale bei den Anbauflächen (so hat z. B. Brandenburg bei weitem noch nicht die Möglichkeit ausgeschöpft, die Eigenversorgung Berlins durch regionale Landwirtschaft abzudecken). Aber auch die ab-Hof-Produkte näher zu-den-Konsumenten zu bringen. Ansätze, dass lokale Landwirtschaftsbetriebe ihre Erdbeeren vor Einkaufszentren anbieten, gibt es ja bereits. Wenn das auch verstärkt vor stark frequentierten Plätzen passiert – und zwar von den heimischen Bauern – dann greifen die Städter bestimmt gerne zu. Und kehren bei ihrem nächsten Überland-Ausflug auch gerne im Hofladen des Bauern ein.
Photos: photocase/crocodile
photocase/ergonoMedia