Gastkommentar von Luke Johnson

Der renommierte Gründer einer Beteiligungsfirma Luke Johnson schreibt wöchentlich in der Financial Times die viel beachtete Glosse „The entrepreneur“. In der Ausgabe vom 13. April 2011 analysiert Johnson den Landwirt als Unternehmer. über_Land will seinen LeserInnen diesen durchaus kontroversiellen Text nicht vorenthalten und präsentiert ihn nachfolgend exklusiv als einziges deutschsprachiges Medium.

Unternehmertum
bleibt mit dem Land verwurzelt

Mehr Bauern sind nötig, um Ernährungssicherheit, kompetenten Umgang mit der Umwelt und eine produktive Wirtschaft zu gewährleisten.
Die ersten Unternehmer waren Landwirte. Vor etwa 10.000 Jahren begann die Menschheit in Phönizien und Mesopotamien Pflanzen zu kultivieren und wandelte sich damit von Jägern und Sammlern zu Sesshaften. Erst diese Initiative ermöglichte die Bildung von Städten und das Erblühen von Zivilisation.
Seitdem hat sich die Landwirtschaft in eine moderne Industrie entwickelt. Dennoch bleibt sie weiterhin eine Angelegenheit von Familien, geführt durch ländliche Unternehmer und konzentriert auf die gleichen Kernthemen wie die der antiken Vorgänger: Land, Wasser, Wetter, Krankheiten, Boden und Ausbeute.
Traditionell wurden Betriebe über Generationen weitergegeben, die bescheidene, aber unberechenbare Bareinnahmen boten sowie die Möglichkeit eines langfristigen Kapitalzuwachses – zumindest für diejenigen, die den Betrieb nicht in Pacht führen mussten. Aber während mehr als 90 Prozent der Betriebe in Ländern wie Großbritannien und den USA in Privatbesitz sind, zeigt sich das Big Business ernsthaft an diesem Sektor interessiert.
Der Agrarrohstoff-Boom der letzten Jahre zeigt, dass viele Institutionen derzeit Ackerland als attraktive Anlageform und als Ausgleich gegen die Inflation sehen. Hedge Funds, Private Equity, Pensions- und Versicherungskonzerne investieren alle in Grund und Boden an Orten wie Brasilien, der Ukraine und in Afrika. Der Druck dieses Kapitals, sowie höhere Einkommen aus der Landwirtschaft, haben die Preise für Ackerland hinauf treiben lassen. Inzwischen ist selbst in den entwickelten Volkswirtschaften wie den USA, Australien und Kanada die Nachfrage seitens dieser Investoren nach Geschäftsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Sektor gestiegen.
Eine höhere Flächenproduktivität kann dank Mechanisierung, Dünger, Pestizide und Biotechnologie selbst an Orten wie Indien und China das Verlangen nach einer besseren Ernährung befriedigen. Reduzierte Handelsbarrieren ermöglichen unternehmerischen Landwirten neue Märkte in Übersee für ihre Produktion zu entdecken. Innovatoren haben in Bereiche diversifiziert wie Freizeit und Erholung, den ökologischen Landbau und exotische Produkte, um trotz des globalen Wettbewerbs profitabel zu bleiben.
Manche hängen der romantischen Vorstellung von den Freuden des Landlebens nach. Die Realität einen bäuerlichen Betrieb profitabel zu führen, ist aber anders. Landwirte stehen dabei vor vielen Herausforderungen: Klima, Arbeitskräftemangel, Umweltsorgen und Einsamkeit, um nur einige zu nennen. Aufgrund des Ungleichverhältnisses zwischen Erzeugern und Abnehmern erhalten Bauern oft auch nur wenig Lohn für ihre Anstrengungen. Doch das vielleicht größte Problem vor dem die meisten Landwirte stehen, ist das Alter und die Nachfolge – mehr als 55 Prozent aller Landwirte der Europäischen Union sind über 55 Jahre alt. Landwirtschaften bedeutet lange Arbeitstage und harte, körperliche Arbeit – etwas, das viele junge Menschen abschreckt. Aber wenn wir Ernährungssicherheit, langfristige Verantwortung für unsere Umwelt und eine ertragreiche Agrarwirtschaft möchten, müssen wir mehr Menschen davon überzeugen, Bauern zu werden.
Mehr als die meisten, anderen Unternehmer müssen Landwirte ein breites Wissen über ihren Bereich erwerben. Sie sollten – neben vielem anderem mehr – die Grundlagen von Finanzierung, Marketing, Pflanzenbau und Viehhaltung, Mitarbeiterführung sowie Vermögensverwaltung verstehen. Die wirklich Ambitionierten werden die Dutzenden von Milliarden an weltweit frischem Kapital als Chance begreifen um maßgeblich eine Konsolidierung und Modernisierung des Sektors durchzuführen. Bessere Preise für Ernten sollten zu gesteigerten Profiten und einem vielleicht verminderten Bedarf an staatlicher Unterstützung führen.
Traditionelle Eigentumsstrukturen und Arbeitsweisen müssen sich ändern, sollte die Branche dynamischer und profitabler werden. Familienunternehmen und Genossenschaften könnten den Weg ebnen zu Investment- und Aktiengesellschaften. Aber wie immer: Die erfolgreichen Betriebe werden jene sein, hinter denen unternehmerische Führung steckt.
Bevölkerungsentwicklung und begrenzte Mengen an fruchtbarem Boden bedeuten, dass die Welt Fortschritte wie gentechnisch veränderte Pflanzen annehmen muss. Und es soll ernsthaft die Fragen gestellt werden, ob Biokraftstoffe eine rationelle Nutzung der Welt-Ressourcen bedeuten.
Da Orte wie Afrika moderne Anbaumethoden begrüßen, sollte die Produktivität steigen und dadurch die Ernährung der wachsenden Bevölkerung unterstützen. Gesellschaften brauchen geschäftstüchtige Landwirte, die wahrscheinlich ihre Arbeit mehr als eine Berufung statt nur eines Berufs sehen. Insgesamt stimme ich mit William Pitts Urteil über Landwirte überein: „Handel erhöht den Reichtum und Ruhm eines Landes; aber seine wahre Stärke und Widerstandskraft sucht man unter den Bauersleuten“.

Photo: www.lukejohnson.org

2 Gedanken zu „Gastkommentar von Luke Johnson

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