Gabi und Thomas Moritz waren in Österreich auf der Suche nach einem Bauernhof. Dann passierte der Unfall im Atomkraftwerk von Tschernobyl. Sie wanderten nach Australien aus und wurden Landwirte. Wie die beiden ihr neues Leben und ihren neuen Beruf meistern, erzählte mir Gabi während ihres letzten Wien-Aufenthaltes im Jänner dieses Jahres. Eigentlich wollten die beiden nach Neuseeland auswandern. Thomas sollte dort als Elektrotechniker arbeiten. Doch statt Neuseeland wurde es Australien. Die beiden kauften auf Kredit eine sogenannte „Hobbyfarm“ mit 85 Hektar Fläche. Gabi begann begeistert das Stück Land zu bearbeiten; auch Tiere kamen dazu: 200 Angora-Ziegen. Die Jung-Bäuerin besuchte Permakultur-Kurse. (Anm.: Permakultur wurde Mitte der 1970er Jahre von den Australiern Bill Mollison und David Holmgren entwickelt und erfreut sich in Australien vieler Anhänger.)
Der Beginn
Die umliegenden Hobbyfarmer allerdings beobachteten die Entwicklung auf dem Hof der Zuwanderer ein wenig mit Argwohn. Es ist zwar auf Hobbyfarms üblich, ein paar Kühe aus Prestigegründen zu halten, aber man legt beispielsweise keinen Gemüsegarten an, sondern kauft das Gemüse im Supermarkt. „Die Chemie hat einfach nicht gestimmt“, erinnert sich Gabi, also verkauften die Österreicher und erwarben eine größere Farm im Nordwesten Victorias. Umgeben von einem Nationalpark erstreckt sich die neue Farm auf einer Fläche von 250 Hektar. Davon sind etwa 60 Hektar Busch. Die neue Farm ist auch arbeitsintensiver, also hängt Thomas seinen Job als Techniker an den Nagel und widmet sich fortan in Vollzeit der Landwirt-schaft. Zu tun gibt es nämlich mehr als genug:
Anfangs gibt es kein Haus, kein Strom, kein Wasser, keine Zäune. Thomas Fähigkeiten als Ingenieur sind stark gefragt und kommen gerade recht: Aus recyceltem Holz und selbst gemachten Lehmziegel entstehen die Gebäude; Solarzellen wandeln heute Sonnenstrahlen in Energie um; die Wägen des kleinen Fuhrparks funktionieren mit Speiseöl, der Dieselgenerator ebenso. Das Regenwasser dient als Trinkwasser, das Nutzwasser wird aus den umliegenden Dämmen genommen. Das Holz für die Heizung stammt aus den eigenen Wäldern.
Die Eckpfeiler
Heute haben Gabi und Thomas 30 Stück Milchziegen, die auf der Farm grasen. Die Hälfte von ihnen wird täglich gemolken, aus der Milch machen sie Frischziegenkäse und Haloumi für den Eigenbedarf. Im Freiland halten sie ebenso für den Eigenbedarf ein paar Large Black Schweine. Und nicht zu vergessen: die Hühner, 150 an der Zahl. Nachdem Gabi in Australien ankam, konnte sie sich mit allem anfreunden, außer mit dem Brot: weißes, geschmackloses Toastbrot. „Wenn man es zusammendrückt, bleibt kaum noch was übrig“, beschreibt sie die Konsistenz. Also beschloss die Jungbäuerin ihr eigenes Brot zu backen: Neben Sauerteigbroten fertigt sie reines Weizenbrot, Dinkelbrot, Kürbisbrot oder Kartoffelbrot. Das Getreide dafür wird von den umliegenden Bauern eingekauft. Gemahlen wird selbst und im ebenfalls selbst gesetzten Holzbackofen gebacken.
Die Spezialitäten
Einmal die Woche verkaufen die Neo-Australier das Brot auf einem der umliegenden „Farmers Markets“. 800 Gramm für 5 Dollar. Für australische Verhältnisse gar nicht so teuer. „Brot soll sich jeder leisten können“, so Gabi, die nicht nur Produkte für die Slow-Food-Anhänger machen möchte. Neben dem Brot bietet sie Mehlspeis-Spezialitäten aus der alten Heimat: Apfelstrudel, Nussstrudel oder Mohnstrudel, wofür sie die Eier der eigenen Hühner sehr gut verwenden kann.
Daneben wirft ihr Garten jede Menge Früchte ab: Nüsse, Feigen, Pfirsiche, Äpfel, Quitten, Dirndl, Passionsfrüchte. „Nur die Marillen werden nie etwas“, da muss Gabi noch auf Fehlersuche gehen. Sie versuchte auch ein „Gemüsestandbein“ aufzubauen, aber das ist wegen der weiten Distanzen schwierig, denn das Gemüse sollte doch ganz frisch zum Kunden kommen.
Einmal wollte sie ihre reifen, süßen Tomaten in einem Restaurant verkaufen, doch die Köche nahmen sie nicht ab. Sie wollten die Tomaten nur grün und unreif. Ein kulinarisches Missverständnis.
Bauernbrot aus Sauerteig
In Australien spielt der Brotbackofen eine wichtige Rolle: Es gibt eigene Ofenbaukurse und in öffentlichen Parks werden Brotbacköfen gesetzt, die man sich ganz nach Bedarf mieten kann. Auch das Slow-Food-Convivium veranstaltet regelmäßige Treffen um diese Öfen herum. So gibt es auch in den Parks eigene Ofenkoordinatoren, die Events wie z. B. „Breads of the World“ organisieren. Thomas ist beim Bau von Holzbacköfen ein wahrer Experte und wird bei größeren Vorhaben gerne mit Planung und Durchführung betraut.
Die Schulgärten
Eine weitere australische Besonderheit sind die Schulgärten: Gabi war zwei Jahre lang eine Gartenlehrerin. Zwar haben die Schulen ähnlich wenig Geld wie bei uns, aber die Gärten entstehen meist aufgrund von privatem Engagement. Die Kinder säen, gärtnern, ernten gemeinsam mit dem Lehrpersonal; anschließend wird das Gemüse in der Schulküche zu einem gesunden Essen verkocht. Und das in einem Land, in dem sich sehr viele Menschen oft und gerne von Fast Food ernähren. „Die Kinder lernen in diesem Schulgarten welche großartigen Sachen wachsen, welche Pflege die Pflanzen benötigen und was sie aus dem Geernteten machen können“. Nach zwei Jahren ist bei vielen Kindern eine Umstellung der Essgewohnheiten festzustellen.
Die Tiere
Und es wäre nicht Australien, gäbe es nicht ganz andere Tiere als bei uns. Die giftigen Schlangen „sind nicht so das Problem“, da sie sehr klein sind. „Wenn Du mit Gummistiefeln hinausgehst, kann Dir nicht sehr viel passieren“. Bei den Spinnen ist es schon anders: Die verirren sich auch ins Haus und viele von ihnen sind giftig, was einer ihrer Praktikanten am eigenen Leib erleben musste. Nach einem Biss und einer immer größer werdenden Entzündung musste er rasch ins Krankenhaus, wo man aber auf solche Fälle gut vorbereitet ist.
In die „Niedlich-kiste“ hingegen fallen die Wombats. Gabis Nachbarin kümmert sich um verwaiste Wombats, zieht sie mit der Flasche auf. Wenn sie groß genug sind, werden sie wieder in den Busch entlassen.
Gabi und Thomas und ihre zwei Kinder sind in Australien glücklich. Zu Beginn ihres Abenteuers hätten sie jederzeit wieder nach Österreich gehen können. Aber ihr Leben wurde von Tag zu Tag spannender. Sie können ihre Freude am Experimentieren ausleben und ihren Interessen voll und ganz nachgehen. „Ich bin heute als Mensch in meiner Gesamtheit gefordert“, so Gabi leidenschaftlich. Für die Umsetzung einer menschlicheren Landwirtschaft macht sie sich gemeinsam mit ihrem Mann stark. Viel haben die beiden davon schon realisieren können.
Ihre Boonderoo Farm (das Wort kommt aus der Sprache der Aborigines und heißt soviel wie „steiniger Platz“) steht nach all den Jahren auf einem starken Fundament. Einen großen Wunsch hat Gabi für die Zukunft: Um ihrer Tochter mit Behinderung weiterhin ein selbstbestimmtes und aktives Leben auf der Farm zu ermöglichen, sucht sie Menschen, die auf der Farm leben und arbeiten. Und, die die Farm auch in Zukunft mit Herz, Verstand und Menschlichkeit ausfüllen und weiter tragen.
Alle Fotos: © Gabi Moritz
Hobbyfarm mit 85 Hektar Fläche?????? Wirklich? Was sind denn dann wir? Mikroweingut 😉
Hallo,
haha in Down Under hat man halt viel Platz für eine Hobby Farm :). Nicht nur in Deutschland wird leckeres Brot hergestellt. Auch die Aussies können das :).
lg
Corny