„Jedem sein Grün!“ verspricht der Buchtitel, und die Rezensentin, immer auf der Suche nach neuen Tipps und Möglichkeiten, das urbane Leben grün zu unterwandern, neue Orte für eigenen Anbau zu erschließen oder auch einfach nur neugierig auf Gleichgesinnte, die sich hinter der nächsten Hausmauer oder auf Nachbars Flachdach verbergen könnten, um dort ihr Pflänzchen anzubauen – die Rezensentin also greift zum Buch, das „Selbstversorgung ohne Garten“ verspricht.Wer aber bisher glaubte, dass derlei urbane Grünprojekte immer auch Spaß machen sollen, dass sie zwar dem einzelnen, seinen Freund/innen oder seiner Community ein wenig mehr Autonomie, gesundes Essen und Alltagsfreude bescheren können, die Welt aber ganz gewiss nicht retten werden, der wird hier eines Besseren belehrt.
Permakultur stellt sich, ganz ohne Augenzwinkern, dar als eines der großen, mit messianischem Eifer betriebenen Projekte zur Rettung einer auf Abwege geratenen modernen Welt, Permakultur ist eine Glaubensfrage, ein Lebensentwurf ohne Wenn und Aber, und sicher kein Vergnügen.
Das erschreckt die Rezensentin gewaltig, denn hier wird’s dogmatisch: Bisher hat sie gemeint, dass die wunderbaren Projekte, die im übrigen auch das Buch von Anger, Fiebrig und Schnyder vorstellt, die urbanen Gärten und Farmen, die Bienen am Balkon und die Seed Bombs in der Baustellengrube bestenfalls individual-anarchistischen oder pädagogischen Charakter hätten und keinesfalls ideologischen. Dass vielleicht das eine oder andere urbanistische Stadtteilproblem mit ihnen gelöst werden kann, gewiss aber nicht die Zerstörung der Artenvielfalt und die Überdüngung unserer Umwelt. Kurz, dass sie bunte, fröhliche, leise und laute aktivistische Signale gegen Fremdbestimmung und industrielle Landwirtschaft sind, aber sicher keine neue Religion des richtigen Lebens beschwören, wie es uns hier verheißen wird: „Ich weiß, dass die Permakultur mein Wegbereiter sein wird“ und „Die Zeit ist reif, alle Ängste abzugeben, aufzustehen, an sich selbst und die eigene Kraft zu glauben…“ Da bleibt ja die Tomate im Halse stecken und auch die süßeste Bio-Marille schmeckt nicht mehr so richtig….. Eine Besprechung von Jessica Beer.
Judith Anger, Immo Fiebrig, Martin Schnyder (Autoren)
Urbane Permakultur: Selbstversorgung ohne Garten
Kneipp Verlag, Wien
ISBN-13: 978-3708805443
Reaktionen zu diesem Beitrag:
Reset meint auf FB: „ein tolles Buch, das jeden Cent wert ist.“ Es gibt außerdem eine genaue Beschreibung, wie ein Minibalkon bepflanzt wird und informiert bestens über Zimmertomaten und Bokashi, Wurmfarmen und Beete in alten Autoreifen.
Brigitta Blume auf Google+ bedauert, dass teilweise sinnvolle kleine Ideen immer gleich auf „Weltniveau“ verallgemeinert und zur Religion erhoben werden müssen. Das Ganze erinnert sie sehr an „Bio für 9 Milliarden“ – in diesem Fall eben „Permakultur für 9 Milliarden“. Sie findet es auch erstaunlich, dass der extrem intensive Anbau bei der Permakultur in den Himmel gelobt wird, während er da, wo er auch mal mehr als 3 Leute ernähren kann, verteufelt wird.