Neben dem Nackthalshuhn zählt das Zackelschaf zur zweiten gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2020. Reinhard Heiss war einer der Ersten in Österreich, der das Zackelschaf wieder züchtete. Seine Motivation? Er wollte etwas mit Tieren machen, um den Stress in seinem Hauptjob abbauen zu können. Was als „ruhiges Hobby“ begann, endete mit einem eigenen Betrieb und fünf Mitarbeitern.
Wir schreiben das Jahr 1998. Reinhard Heiss ist im Baumanagement tätig, sein fordernder und stressiger Job verlangt nach einem ruhigen Gegenpol. Der Wunsch, etwas mit Tieren zu machen, nimmt immer mehr Gestalt an. Er kauft einen Bauernhof im Waldviertel und erfährt von einem
Bekannten, dass er seine kleine Herde Zackelschafe verkauft. Heiss entschließt sich, diese Tiere zu nehmen und stellt in Windeseile den Stall fertig; kurze Zeit später kommen die ersten 25 Schafe. „Ich bin am Freitag zu den Schafen gefahren und hab das Wochenende mit ihnen verbracht“, erzählt Heiss. Unter der Woche kümmert sich ein Nachbar um die Herde. Drei Jahre später kauft er zusätzliche Schafe an, vergrößert seine Herde auf 150 Stück. „Da hab ich mir von den Nachbarn ganz schön was anhören können, sie haben mir industrielle Machenschaften vorgeworfen“. Also stellt er seinen Betrieb auf Bio um, verkleinert die Herde und sucht nach zusätzlichen freien Flächen im Waldviertel, was sich als aussichtslos herausstellte. „Zum Glück hat das Schloss Hof bei mir angefragt, ob sie Zackelschafe haben könnten.“
Schloss Hof kauft Reinhard Heiss 30 Schafe ab. Seine Schafe sind was Besonderes, denn sie besitzen noch ein ausgeprägtes Fluchtverhalten. Ihre kräftigen Hörner und ihr Wollkleid mit einer Länge bis zu 40 cm machen aus ihnen eine imposante Erscheinung. Früher wurde die Wolle dieser Schafe zu Kutschermänteln verarbeitet. Heute ist sie leider ein Abfallprodukt, weil in den Fabriken die Maschinen auf Kurzhaar umgestellt wurden.
Prämierte Wurst wird Abhof verkauft
Mittlerweile hatte Heiss Weideflächen in Ungarn dazu gekauft. Um Inzucht bei seinen Schafen zu vermeiden und „damit immer wieder frisches Blut in die Herde kommt“, pflegt er Kontakte in benachbarte Länder wie Italien, Deutschland oder Schweiz. 2005 kauft er 25 Stück aus Tirol. „Da waren leider Inzuchttiere dabei. Das sieht man an der Hornstellung und am Hintergestell.“ Die Tiere werden geschlachtet und der bis dato für den Eigenbedarf produzierende Heiss beginnt eine Vermarktungsschiene aufzubauen. Die unterschiedlichsten Fleisch- und Wurstsorten (seine Lammkäsewurst wird 2010 von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft mit Gold prämiert; seine Lammhauswurst erhält Silber) werden im Abhof-Verkauf im Waldviertel sowie bei einer Auslieferungsstelle bei den Stadtbahnbögen in Wien angeboten und auch direkt in die Gastronomie geliefert.
Zwei Leute kümmern sich in der Zwischenzeit halbtags um die Akquise, daneben sind zwei Schäfer und ein Fleischhauer beschäftigt. 2009 beteiligt sich Heiss noch an einer Käserei, die Schafmilch verarbeitet.
Reinhard Heiss, der mittlerweile im zweiten Bildungsweg den landwirtschaftlichen Facharbeiter erworben hat, entwickelt sich zum gefragten Experten in Punkto Tierzucht: In den Jahren 2014 und 2015 hält er im Auftrag der Weißrussischen Regierung Vorträge über Schafzucht und Stallbau.
Zackelschafe in Schloss Hof und Tierpark Haag
Von Stressabbau ist keine Rede mehr. In den Jahren 2013 bis 2018 bewirtschaftet er noch zusätzlich 30 Hektar Naturschutzgebiet in der Lobau. „Da hab ich mit den Tieren wieder mehr mitgelebt.“ Zwei Jahre später übergibt er den Betrieb und zieht sich aus dem Geschäft zurück. „Es hat mir leid getan, dass ich den Betrieb niedergefahren habe. Es war sehr schwierig, einen Nachfolger zu finden. Man hängt an den Tieren und die Erinnerungen an diese Zeit sind sehr schön“.
In Schloss Hof und im Tierpark Haag sind die Nachkommen von Heiss’ Zackelschafen zu bewundern.
Reinhard Heiss hat heute zwar keine Zackelschafe mehr, aber ohne Tiere geht es für ihn nicht. Und so sind es heute Bienen, um die er sich leidenschaftlich kümmert.
über_Land
Der Blog über_Land beschäftigt sich mit innovativer Landwirtschaft in der Stadt und auf dem Land. Themen wie Urban Farming, Vertical Farming, Aquaponic stehen genauso im Vordergrund. Der Blog geht aber auch der Frage nach, wie Gemeinden für ihre Bewohnerinnen und Bewohner neue, qualitätsvolle Konzepte entwickeln, wo Wohnen, Leben und Arbeiten möglich wird. Der Blog ist seit 2011 online. Gründerin und Herausgeberin ist Barbara Kanzian. Erfahren Sie mehr über sie auf ihrer Unternehmens-Website.
So liebe Schafe!
Lieber Mario, danke für Deine Nachricht. Ja, diese Schafe sind wirklich sehr tolle Tiere. Und fein, dass sie jetzt wieder vereinzelt gezüchtet werden.