Zugegeben. Sich auf engstem Raum mit frischem Obst, Gemüse und Kräutern selbst zu versorgen, ist nicht neu. Dennoch erleben unter dem Begriff microgardening innovative Methoden wie etwa der Anbau von Gurken, Paprika und Tomaten in Hochbeeten im Hinterhof oder der vertikale Anbau von Kräutern und Erdbeeren auf Terrassen seit Jahren einen regelrechten Höhenflug. Nachdem Mikro-Gärten in Österreich bzw. in Ländern des globalen Nordens primär soziale und ökologische Funktionen erfüllen, dienen sie in den sogenannten Entwicklungsländern oftmals der effektiven Erhöhung der Ernährungssicherheit. So auch vielerorts in der Republik Uganda. Ein Gastblog von Florian Leregger
Während meines mehrwöchigen Aufenthalts konnte ich dankenswerterweise die vielfältigen Facetten des ostafrikanischen Landes entdecken. Aufgrund der großen gesellschaftlichen Bedeutung durfte da die Landwirtschaft selbstverständlich nicht fehlen. An der Makerere University in Kampala, auf der National Agricultural and Trade Show in Jinja, im Organic agricultural training college (RUCID) in Mityana und von zahlreichen Bäuerinnen und Bauern in der westlichen Region Bushenyi lernte ich unterschiedliche Methoden kennen, um auf kleinstem Raum möglichst effizient frische Nahrungsmitteln anzubauen. Die Erfahrungen, die ich machte, lassen mich denken, dass Mikro-Gärten ökologische, soziale und wirtschaftliche Potentiale haben, die in vielen Weltregionen künftig zunehmende Bedeutung erlangen werden.
Herausforderungen meistern
In Uganda weisen viele Standorte Trockenheit in Folge von Wasserknappheit und hohen Temperaturen auf. Das ist allerdings nur eine der vielen Herausforderungen, um ertragreich Nahrungsmitteln anzubauen. Mit dem Anbau auf engstem Raum gelingt es in den meisten Fällen – beispielsweise durch die ausgeklügelte Wahl der Pflanzen (z. B. große Schattenspende mit kleineren bodennahen Pflanzen kombinieren) oder mit der Bewässerung durch einen geschlossenen Wasserkreislauf – diese Herausforderung zu meistern und sich über gute Erntemengen freuen zu können. So sah ich in Uganda beispielsweise meterhohe Tomatenstauden, vertikal gezüchtete Pilze in großer Menge und üppig wachsendes Kohlgemüse. Als organischer Dünger wurden dafür Asche, Erde von Termitenhügeln oder kompostierte Küchenabfälle genutzt. Es ging stets um die Nutzung vorhandener Materialien und so verwunderte es mich nicht, dass recycelte Holzpaletten, Autoreifen, Stoffsäcke, Plastikflaschen oder Kübel als Basis für den Anbau dienten.
Zugang zu frischen Nahrungsmitteln
Die Food and Agricultural Organization of the United Nations (FAO) erkennt seit vielen Jahren das Potential von Mikro-Gärten und kommt zum Schluss, dass diese hoch produktiv sind und relativ einfach bewirtschaftet werden können (Paper der FAO 2010). Menschen erhalten damit (täglichen) Zugang zu frischen Nahrungsmitteln und schaffen sich selbst die Möglichkeit, sich mit wichtigen Vitaminen und Nährstoffen günstig und unabhängig zu versorgen. Insbesondere einkommensschwache Bevölkerungsgruppen ohne Zugang zu Land können davon profitieren.
Ressourcenschonende und ertragreiche Produktion
Mikro-Gärten mit einer Größe von 1m2 benötigen mithilfe einer effizienten Bewässerung in der Regel nicht mehr als 3 Liter Wasser pro Tag. In Punkto Energieverbrauch bieten sie den Vorteil, dass die Ernte quasi direkt auf dem Teller landet. Im Gegensatz zur klassischen Landwirtschaft fallen nämlich Lagerung, Verpackung sowie Transport und damit eine beträchtliche Menge an Materialeinsatz und Treibstoff weg. Die soziale Dimension von Mikro-Gärten wird dann sichtbar, wenn Kinder und Menschen mit Behinderungen an den Hochbeeten Gemüse ernten. Der einfache Zugang ist in vielen Fällen gegeben und die Arbeit ist bei weitem körperlich nicht so anstrengend wie jene am Feld (Video der FAO 2012).
Mikro-Gärten werden auch als Gemeinschaftsgärten betrieben, in denen der soziale Zusammenhalt gestärkt wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass in einem Mikro-Garten mit einer Größe von 1m2 durchaus 36 Salate alle 60 Tage oder rund 200 Tomaten (30kg) pro Jahr oder 100 Zwiebeln alle 120 Tage oder 10 Kohlköpfe alle 90 Tage geerntet werden können (Paper der FAO 2010).
Mikro-Gärten in Kampala
In Kampala, der Hauptstadt Ugandas mit rund 1,4 Millionen Einwohner/innen, herrscht reges Treiben. Der Verkehr ist hektisch, die Boda-Boda (Motorrad-Taxis) und Matatu (Kleinbus-Taxis) düsen allgegenwärtig durch die Straßen. Die lauten Märkte laden zum Einkaufen ein. Dazwischen gibt es immer wieder Ruheoasen wie etwa das 1000 Cups of Coffee, um gemütlich zu verweilen. Die Stadt beherbergt die Makerere University. Auf einem der vielen Hügeln der Stadt gelegen zählt sie mit über 30.000 Studierenden zu den größten Universitäten Ostafrikas. Die Hochschule forciert Landwirtschaft und Umweltwissenschaften. Neben den Themen der klassischen findet die urbane Landwirtschaft dabei ebenso Eingang in die Forschung und Lehre. So wurde etwa das Engagement in diesem Bereich mit der Gründung der Uganda Micro Gardening Initiative of Makerere University (UMGI) vertieft. Seit 2013 leisten Studierende und Lehrende mithilfe von Mikro-Gärten einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in städtischen Regionen. Einerseits werden dort Obst, Gemüse und Kräuter zur Versorgung angebaut und andererseits werden Trainings in den Gärten angeboten, um wertvolles Wissen zu vermitteln. In Workshops werden den Teilnehmer/innen praktische Informationen zu biologischer Produktion, Pflanzenwachstum und -krankheiten, Bodenanalyse, Kompostierung, Recycling sowie innovative Anbaumethoden gegeben. Damit gelingt es, das Bewusstsein für den Anbau von Nahrungsmitteln in Autoreifen in Hinterhöfen, in Kübeln auf dem Dach, in Hochbeeten im Freien oder vertikale Hängesäcke auf der Terrasse zu erhöhen und Menschen zu animieren, ihren eigenen Mikro-Garten anzulegen.
Vor dem Hintergrund so mancher globalen Megatrends (Klimawandel, Demographie Afrikas, Urbanisierung etc.) sehe ich mithilfe von Mikro-Gärten die Chance gegeben, vielerorts die Ernährung für die lokale Bevölkerung verbessern zu können. Insbesondere in urbanen Regionen, die einen Mangel an fruchtbaren Boden aufweisen, kann mit relativ wenig Input hoher Ertrag erwirtschaftet werden. Es bleibt zu wünschen, dass Mikro-Gärten künftig nicht nur lokale Phänomene darstellen, sondern sich zu einem global weitverbreiteten (Mega-) Trend entwickeln.
Urban Farming im Nachhaltigkeitsblog zukunftsrezepte
Abschließend möchte ich mich für das Lesen dieses Artikels bedanken und einladen, in weiteren Artikeln im Nachhaltigkeitsblog www.zukunftsrezepte.at thematisch zu schmökern. So gibt es dort etwa „Zukunftsrezept Urbane Landwirtschaft“ (Barbara Kanzian) oder „Zu Besuch im KarlsGarten“ und „Zu Besuch bei Henzls Ernte“ zu lesen. Und auch in „Für Honig, Gemüse, Fisch und Fleisch braucht es nicht immer einen Supermarkt“, „Gemeinschaftsgärten als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung urbaner Räume“ und „Essen, Freundschaft und Erholung in Gemeinschaftsgärten“ habe ich mich für das Nachhaltigkeitsmedium n21 in der Vergangenheit mit Gemeinschaftsgärten bzw. Urban Farming beschäftigt.
Der Autor:
Dieser Beitrag stammt von über_Land-Gastblogger Florian Leregger. Er studierte Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur (Wien). Auf seinem Nachhaltigkeitsblog „zukunftsrezepte“ schreibt Florian über engagierte Persönlichkeiten, Organisationen, Unternehmen und Initiativen nachhaltiger Entwicklungen entlang der Sustainable Development Goals (www.zukunftsrezepte.at).