Regional und bio: Insekten frisch auf den Tisch

Insekten als LebensmittelVielen ekelt es davor. Allein die Vorstel- lung Mehlwür- mer, Grillen oder Larven schwarzer Soldatenflie- gen zu essen, erzeugt ein unangeneh- mes Kribbeln. Doch der Verzehr von Insekten könnte in Zukunft eine Nahrungsmittelkrise verhindern. Statt saftigen Steaks gesunde Insekten? Eine in unseren Breiten heikle kulinarische Annäherung. Ein junges Schweizer Start-Up-Unternehmen bringt Insekten auf den Tisch. Unter dem Firmennamen Essento setzen sich die drei Jungunternehmer Stefan Schultze, Matthias Grawehr und Christian Bärtsch dafür ein, die Insekten als wichtiges Nahrungsmittel zu nutzen. Denn Insekten sind in vielerlei Hinsicht ein gesundes Mahl. Neben Proteinen und Nährstoffen übertragen sie kaum Krankheiten. Außerdem bieten sie eine Vielfalt an außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen, brauchen weniger Wasser und weniger Land als konventionelle Tierhaltung und sie produzieren deutlich weniger Treibhausgase als die Produktion anderer tierischer Proteine.

Die im Vorjahr von der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) veröffentlichte Studie fordert die Menschen sogar auf, vermehrt zu Insekten zu greifen. Denn mit dem erwarteten Anstieg der Weltbevölkerung auf neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 könnten Insekten wesentlich dazu beitragen, eine Nahrungsmittelkrise zu verhindern und den Raubbau der Natur zu reduzieren.

Grillen à la Jamie Oliver

Zwei Milliarden Menschen ernähren sich regelmäßig von Insekten. Vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika schätzt man sie wegen ihres Geschmacks. Auch der österreichische Foodblogger Peter Putzer, im Web 2.0 besser als Mundschenk bekannt, hat die gesunden Eiweißspender im Rahmen einer Kunstaktion der Vienna Design Week 2013 schon gekostet. Am Speiseplan standen Larven der schwarzen Soldatenfliege mit Ei und Erdäpfel und auf Schokokeksen. Die Grillen gab’s à la Jamie Oliver mit Knoblauch und Kräutern. Letztere haben ihm besser geschmeckt, was vermutlich an der Würzung lag. Und vor ein paar Wochen kostete Putzer gefriergetrocknete Käferlarven, „die schmeckten muffig“.

Sind Insekten eine ernst zu nehmende Alternative bei uns? In einer postapokalyptischen Welt, in der es keine anderen Proteinquellen mehr gibt, kann sich Putzer das gut vorstellen. Sonst eher nicht. „Das kulturelle Bias ist zu groß“, meint er, viele Leute hätten ja schon mit Milbenkäse ein Problem. „Wobei es ja auch bei uns früher Insektengerichte gab wie z. B. die Maikäfersuppe, allerdings ist diese Tradition komplett ausgestorben“. In einem amerikanischen Kochbuch hat Putzer einen Paradeiserschädling entdeckt, der sich ausschließlich von den Blättern der Paradeiser ernährt und auch so schmecken soll. „Ich könnte mir vorstellen, dass es für solche Insekten irgendwann einen gewissen Markt in der Hochküche geben wird.“

Der französische Sternekoch David Faure war schon immer ein Pionier im Einsatz von neuen Lebensmitteln und neuer Kochtechniken. Er will seine Gäste mit seiner Küche überraschen, verblüffen und sie auf eine gastronomische Reise mitnehmen, die für sie Neuland bedeutet. Kein Wunder, dass der innovative Koch ein eigenes Insektenmenü zusammengestellt hat. Zur Vorspeise gesellen sich zu Erbsen und Karotten Mehlwürmer. Oder neben panierten Kabeljaufilet gibt’s die Tierchen pulverisiert zu Erdnüssen und Polenta. Und Grillen finden sich in dem von Faure kreierten Gericht gar in einer Whisky-Blase.

Massentierhaltung in der Box

Faure hätte für seine Küche die Tiere über das Internet beziehen können, doch er wollte Rückverfolgbarkeit und Lebensmittelsicherheit. Daher ist er im Zuge seiner Recherche auf ein französisches Unternehmen gestoßen, das bereits im großen Stil Insekten für den Verzehr von Menschen züchtet. Der französische Unternehmer Cédric Auriol war früher im Textilgeschäft tätig. Damals hat er bereits in seinem Büro mit der Insektenzucht begonnen. Heute hat er eine riesige Halle, in der große Plastikkisten übereinander gestapelt sind. Darin finden sich die Lebensräume der Insekten. In Zusammenarbeit mit einem Biologen wurden die Aufzuchtkriterien für die Lebensmittelproduktion entwickelt. Besonderes Augenmerk wird auf die Hygiene gelegt, das Futter stammt von Biobauern aus der Region. Auriol versorgt heute bereits den Sternekoch Faure mit zigTausenden Grillen und Mehlwürmern.

Insekten als LebensmittelIn der Schweiz ist man da noch ein Stück entfernt. Noch ist es nicht legal, Insekten öffentlich als Nahrungsmittel anzubieten. Um jedoch die Delikatesse auf den Teller zu bringen, hat der Industriedesigner Marc Eberle in Zusammenarbeit Insekten als Lebensmittelmit Essento die Mehlwurmfarm „EntoPlant“ entwickelt.

Der Konsument kann damit Insekten ohne großen Aufwand züchten und anschließend tolle Menüs kreieren. Denn Insekten sind die Nahrungsmittel der Zukunft, darin sind sich die Macher von EntoPlant einig. Und wenn das Designermöbelstück auch noch zu einer gesünderen und nachhaltigeren Ernährung beiträgt, dann scheint die kulturelle Barriere beinahe überwunden zu sein.
Foto (1): © Peter Putzer/mundschenk.at

Foto (2): © Marc Eberle und Essento

 

2 Gedanken zu „Regional und bio: Insekten frisch auf den Tisch

  • 14. Juni 2014 um 19:59 Uhr
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    Schon Johannes der Täufer ernährte sich bekanntlich von Heuschrecken in der Wüste. Eine alte „jüdisch-christliche“ Tradition sozusagen… Ob sich das Abendland darauf besinnen wird, darf trotzdem angezweifelt werden. Das wird eher auf die sprichwörtliche Not warten in der dann bekanntlich auch der Teufel Fliegen frisst. Aber vielleicht ist diese Not gar nicht mehr so weit weg?

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    • 15. Juni 2014 um 17:02 Uhr
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      Man könnte es ja auch als neues Geschäftsfeld sehen: In Thailand sammeln oder züchten rund 15.000 Bauern Insekten. Statt dem Schweinestall von Heute die Insektenlager von Morgen.

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